Experten-Tipps für deine hohen Bergziele

Mein Projekt 4000er

Folge 51 des Bergpodcasts: Viele Fragen zu 4000ern und anderen hohen Bergzielen habt ihr uns gestellt - von Vorbereitung und Planung, über die passende Ausrüstung bis hin zu Höhenkrankheit und Akklimatisation. In dieser Folge gibt's Antworten und Tipps, welche Gipfel für Hochtouren-Einsteiger*innen geeignet sind.

Wir kennen sie alle - die Sehnsucht nach den Bergen. Die Ruhe, die Natur, die atemberaubende Aussicht locken uns immer wieder hinauf. Oben schweift der Blick, oft zu den ganz Großen der Alpen. Und vielleicht kommt dabei der Wunsch auf, auch mal da oben zu stehen, auf viertausend Metern oder mehr. Wie komme ich da sicher hin? Was muss ich dafür können, welche Ausrüstung brauche ich, wie bereite ich mich vor? Und welches Gipfelziel soll es sein? Diese und viele weitere Fragen haben uns Menschen bei einer Instagram-Umfrage gestellt. Antworten darauf gibt's in dieser Folge des Bergpodcasts mit Markus Fleischmann, DAV-Ausbildungsleiter Bergsport Alpin.

Diese Themen erwarten dich:

  • Grundvoraussetzungen für einen 4000er

  • Training

  • Vorbereitung und Planung

  • Akklimatisation und Höhenkrankheit

  • Ausrüstung

  • Unterwegs am Berg

  • 4000er für ein schmales Budget

Den Bergpodcast gibt es direkt hier zu hören (bitte externe Inhalte zulassen) oder auf allen gängigen Podcastportalen, zum Beispiel bei Spotify, Apple Podcasts oder Google Podcasts.

Transkript der Folge

Angela Kreß
Hallo! Schön, dass ihr wieder mit dabei seid bei einer neuen Folge des Bergpodcasts. Einer etwas besonderen Folge, denn sie ist sozusagen ganz nach euren Wünschen entstanden. Mehr als 60 Fragen zu Viertausendern habt ihr uns geschickt – und wir wollen sie natürlich alle beantworten. Von den Grundvoraussetzungen für so hohe Bergziele, über Vorbereitung, Planung, Training und Ausrüstung, Akklimatisation und Höhenkrankheit ist alles mit dabei. Und natürlich bekommt ihr auch ein paar Tipps, welche Viertausender für den Einstieg geeignet sind. Viel Spaß beim Zuhören!

Cornelia Kreß
Es ist – zugegeben – schon eine ganze Weile her, da haben wir euch, liebe Hörer*innen, gefragt, welche Themen ihr euch für den Podcast wünscht. Ein paar der Wünsche haben wir mit den letzten Folgen umgesetzt und ein paar folgen heute. Eine Frage zum Beispiel war, wie trainiere ich für einen Viertausender und eine andere, wie finde ich den passenden Bergführer? Diese und viele weitere Fragen rund um große Bergziele beantworten wir in dieser Folge. Und damit das alles Hand und Fuß hat, sitze ich, die Conny, hier nicht alleine, sondern mit meinem Kollegen Markus Fleischmann. Der ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Certified Mountain Guide, Geograph, Lawinenexperte, Sachkundiger für persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz und vieles mehr. Und vor allem ist er beim DAV Ausbildungsleiter Bergsport Alpin und damit unser Top-Experte für alle unsere Bergsportfragen. Hi Markus, schön, dass du da bist!

Markus Fleischmann
Hallo, Servus!

Cornelia Kreß
Ausbildungsleiter Bergsport Alpin – was bedeutet das denn genau? Was sind denn beim DAV deine Aufgaben?

Markus Fleischmann
Ich kümmere mich schwerpunktmäßig um die inhaltliche Ausgestaltung und die Konzeptionierung unserer Trainerausbildungen im alpinen Kontext, also zum Beispiel eben auch die Hochtourentrainer.

Cornelia Kreß
Das heißt, wenn unsere Hörer*innen einen Kurs in der Sektion machen, hast du ihre Kursleitungen ausgebildet, richtig?

Markus Fleischmann
Ich oder mein Lehrteam, ja, ich spreche da von wir. Vielleicht war ich es auch selber.

Markus Fleischmann, DAV-Ausbildungsleiter Bergsport Alpin Tobias Hase

Cornelia Kreß
In dieser Podcastfolge geht es ja um Viertausender und auch um andere hohe Bergziele. Deswegen eine persönliche Frage an dich: Was war denn dein erster Viertausender?

Markus Fleischmann
Mein erster Viertausender, ja, das ist lange her. Das war in der Tat der Grand Paradiso – wie vielleicht bei vielen, weil es einfach ein relativ einfacher Berg ist – war aber auch ein bisschen Zufall.

Cornelia Kreß
Was ist passiert?

Markus Fleischmann
Ja, wir sind eigentlich nach Chamonix gefahren zum Klettern und Bergsteigen, und da gab es dann, wie es auch üblich ist, in den Bergen, in den Alpen, einen Schlechtwettereinbruch, einen Wintereinbruch, und da sind wir dann auf die wetterbegünstigte Seite gefahren. Da steht dann als nächstes eben der Grand Paradiso, deswegen war das zufällig mein erster Viertausender, irgendwann in den 90er Jahren, schon ein paar Jährchen her.

Cornelia Kreß
Sehr schön. Wir haben auch unsere Community gefragt nach ihren Erfahrungen mit hohen Bergen und auch ihren Gipfelzielen und das ist natürlich nicht repräsentativ für den DAV, aber trotzdem ganz spannend und das schaut so aus: Über die Hälfte war schon auf Dreitausendern, 16 Prozent auf Viertausendern und 2800 Personen und damit ungefähr 70 Prozent sagen, dass ein Viertausender eines ihrer Bergziele ist. Wie erlebst du das denn als Bergführer – sind es eher einzelne Routen oder Gipfel, die die Leute reizen, oder sind es bestimmte Höhen, die sie knacken wollen?

Markus Fleischmann
Ich glaube es ist eine Kombination, also diese 4000 Meter Grenze, das hat schon eine magische Anziehungskraft. Es gibt ja auch in den Alpen nicht unendlich viele Berge, wir haben round about 64-65 Gipfel, je nachdem wie man sie differenziert. Und die sind mehr oder weniger alle berühmt. Klar, gibt es da auch noch mal ein Ranking, der Höchste, der Schönste, Matterhorn, Montblanc und so weiter, aber an sich sind alle Viertausender viel gefragte Ziele.

Cornelia Kreß
Okay, ich würde noch mal auf die Community-Befragung zurückkommen, weil da wurden nämlich auch offene Fragen gestellt und die würde ich dir gerne alle weitergeben. Das deckt eine total große Bandbreite ab. Was wir besonders oft gefragt wurden ist natürlich, welcher Viertausender für den Einstieg geeignet ist – einen haben wir schon gehört. Dann gibt es ganz viele Fragen zur Höhenkrankheit, zur Ausrüstung und auch ganz schön detaillierte Sicherheitsfragen, zum Beispiel zur Satellitenkommunikation. Damit es ein bisschen strukturiert ist, würde ich sozusagen Thema für Thema durchgehen und wir fangen mit den Grundvoraussetzungen für Viertausender an.

Grundvoraussetzungen für einen 4000er

Was erwartet einen denn so ganz grob gesagt, bei einem Bergziel von 4000 Metern oder mehr?

Markus Fleischmann
Fast alle 4000er sind mehr oder weniger vergletschert, zumindest im Alpenraum. Aufgrund der Lage der Alpen in Mitteleuropa und der Kombination mit der Höhe ist es einfach eine ausgesprochene Exponiertheit der Anstiege der Berge. Man ist sehr, sehr beeinflusst vom Wetter, die Umwelt, der Wind ist stärker, Temperatur und Schlechtwetter sind intensiver, auch die Sonneneinstrahlung bei schönem Wetter ist intensiver und die Luft ist natürlich dünner. Das macht sich dann auch einfach beim Bergsteigen selbst bemerkbar.

Cornelia Kreß
Wenn ich jetzt mal nicht den einfachsten Viertausender machen will, wo der Großteil der Tour mit der Seilbahn zurückgelegt wird, sondern ich habe mir, wie du zum Beispiel auch und wie viele andere auch, den Gran Paradiso vorgenommen. Was sollte ich denn können? Welche Berge sollten für mich gut machbar sein, damit ich auf der Tour auch Spaß hab und vielleicht nicht gleich ohne Bergführer*in losgehe, aber zumindest verstehe, was die Tour erfordert, welche Stellen tückisch sind, welche Ausrüstung ich brauche und bei welchen Bedingungen man lieber vielleicht gar nicht erst losgeht.

Markus Fleischmann
Die Frage nach der Schwierigkeit bestimmt sich einerseits nach den Höhenmetern, die man zu gehen hat – du hast erwähnt mit Seilbahnen, das sind natürlich die einfacheren Viertausender – aber man muss sich auch das Gelände an sich anschauen, also die technischen Schwierigkeiten. Ein Berg mit Seilbahn kann trotzdem am Gipfelaufbau stellenweise sehr anspruchsvoll sein, das muss man unterscheiden. Und dann gibt es andere Berge, die haben zwar lange Routen oder großen Höhenunterschied, aber sind an sich vom Gelände relativ zahm. Grundsätzlich kann man sagen, das technische Können ähnelt denen an Dreitausendern. Man kann es auch an Dreitausendern trainieren, also das Bergsteigen selbst, den Umgang mit Pickel, mit Steigeisen und so weiter. Im Unterschied zu den Ostalpen oder im Unterschied zu den zu den Dreitausendern haben wir oft einfach noch längere Etappen und eben die höheren Gipfel, das heißt, die Grundlagenausdauer für die langen Etappen, die sollte noch mal ein Stück ausgeprägter sein, weil die Anforderungen einfach höher sind.

Ein Berg mit Seilbahn kann trotzdem am Gipfelaufbau stellenweise sehr anspruchsvoll sein, das muss man unterscheiden.
- Markus Fleischmann

Cornelia Kreß
Okay also zusammengefasst: Ich sollte schon definitiv sehr sicher im Hochgebirge unterwegs sein, wenn es jetzt vielleicht noch keine Viertausender waren, dann zumindest ein paar Dreitausender, ausgesetztes Gelände, felsiges Gelände, vergletschertes Gelände.

Markus Fleischmann
Ja genau, also je nach konkretem Berg, den man sich letztendlich aussucht. Aber wir sagen eigentlich immer eine selbständige Ostalpenerfahrung im Dreitausender Bereich ist eine gute Basis. Und mit selbständiger Erfahrung meine ich nicht das Hinterherlaufen oder schon mal so einen Dreitausender gemacht haben, sondern wirklich auch die Touren eigenständig geplant haben, durchgeführt, in wirklicher Entscheidungsverantwortung.

Cornelia Kreß
Da leitest du eigentlich schon fast zur ersten Frage aus der Community über, nämlich: Unterscheiden die sich sehr, Dreitausender und Viertausender?

Markus Fleischmann
Wenn wir vom tatsächlichen Höhenunterschied reden, dann sind einfach die Viertausender tausend Höhenmeter weiter oben, ja. Das heißt in puncto Wetter, Verhältnisse hat man da einfach noch mal schärfere Bedingungen. Die Vergletscherung ist in der Regel auch heutzutage noch ausgeprägt. In puncto technische Schwierigkeiten kommt es dann eben auf die konkrete Tour, das konkrete Ziel an.

Cornelia Kreß
Welchen Kurs brauche ich?, war eine andere Frage.

Markus Fleischmann
Die klassischen Gletscher-Hochtourenkurse, das würde ich jetzt mal so als Minimum betrachten, einfach um sich das Know-How zum Hochtourengehen, zum Bewegen auf Gletschern anzueignen. Aber das allein macht mich ja noch nicht zum erfahrenen, auch Ostalpen, Dreitausender, Bergsteiger, also das Gelernte in so einem Kurs muss dann eben auch geübt werden, trainiert werden, selbständig erprobt und gefestigt werden.

Cornelia Kreß
Noch mal beim Kurs: Welche Inhalte erwarten einen da so?

Markus Fleischmann
Das fängt typischerweise an mit Überblick über die Ausrüstung, Umgang mit der Ausrüstung, also gerade speziell für Hochtouren haben wir eben das Gehen auf Steigeisen, Steigeisentraining, Einsatz von Pickel, dann natürlich der Umgang mit dem Seil, das Anseilen am Gletscher, Gehen in Seilschaften, inklusive Spuranlage, die Routenwahl, die Touren auf die 3000er und 4000er sind ja in der Regel vielleicht noch im Hüttenumfeld markierte Wege, und dann sind wir einfach im weglosen Gelände unterwegs. Stichwort Gletscherkunde: Spaltenzonen, was erwarten mich für Gefahren, wie gehe ich damit um, wo ist das Risiko geringer, an welchen Stellen ist es vielleicht höher oder unnötig hoch? Sehr oft ist auch die diversen Spaltenrettungsmethoden Gegenstand – das nimmt sehr viel Zeit und Raum ein, aus meiner Sicht manchmal sogar fast zu viel, weil wichtig ist es vor allem, einen Spaltensturz zu vermeiden. Und dann gibt es noch Randthemen wie Orientierung, Umgang mit der Karte, GPS, Höhenmesser, Wetterkunde im Sinne von Beobachtung, was passiert tagsüber draußen am Berg?

Cornelia Kreß
Das sind ganz schön viele Themen. Das heißt, so ein Kurs dauert auch in der Regel eine Woche.

Markus Fleischmann
Ja, ein guter Kurs sollte eine Woche dauern.

Cornelia Kreß
Wo kann man denn so einen Kurs machen?, war noch eine weitere Frage, Beim DAV sind sie oft schnell ausgebucht.

Markus Fleischmann
Ja, natürlich gibt es die DAV Sektionen, die auch von ehrenamtlichen Übungsleitern in der Regel geleitet werden. Dadurch sind sie etwas günstiger, als vielleicht mit einem Bergführer oder in den Bergschulen. Und das erklärt auch, warum die so begehrt sind, so schnell ausgebucht sind, aber im Grunde gibt es alpenweit kleine wie große Bergschulen, es gibt einzelne Bergführer, die selbständig Kurse und Touren anbieten, es gibt große Veranstalter. Also man findet eigentlich schon was, je nachdem, wie flexibel man ist.

Cornelia Kreß
Eine letzte Frage habe ich noch aus der Community zu diesem Frageblock, nämlich die Kondition für eine Hochtour. Was sollte ich machen können, bevor ich mir eine Hochtour zutrauen kann? Ich glaube, da können wir jetzt auch allgemeiner auf Hochtouren eingehen und nicht unbedingt auf Viertausender, sondern vielleicht auch Dreitausender.

Markus Fleischmann
Also das Typische an Hochtouren ist ja im Grunde die lange Gehzeit, die großen Höhenunterschiede. Wir reden hier von Langzeitbelastungen. Im Grunde fängt man mit niedrigen Touren im gletscherfreien Umfeld an und schaut, dass man hier auch entsprechend lange Tagesetappen gut absolvieren kann und ja, dann steigert man langsam die Höhe.

Trainieren für einen 4000er

Cornelia Kreß
Wunderbar, dann machen wir doch weiter mit dem nächsten Themenblock, und zwar das Training. Also wir hatten ja jetzt schon: Es sind Langzeitbelastungen, es ist ja auch sehr ausgesetztes Gelände, es ist vielleicht auch technisch anspruchsvoll, wir brauchen Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, wie kann man sowas denn trainieren?

Markus Fleischmann
Grundsätzlich muss man mal sagen, dass Schwindel an sich bei Ausgesetztheit ja was ganz Natürliches ist, ja. Und die Sicherheit in so einem Umfeld, in so einem Gelände, kommt mit der Zeit einfach durch die Gewöhnung. Manche tun sich dabei leichter, andere brauchen etwas länger und benötigen kleine Steigerungen.

Grundsätzlich muss man mal sagen, dass Schwindel an sich bei Ausgesetztheit ja was ganz Natürliches ist. Und die Sicherheit in so einem Gelände kommt mit der Zeit einfach durch die Gewöhnung. Manche tun sich dabei leichter, andere brauchen etwas länger und benötigen kleine Steigerungen.
- Markus Fleischmann

Cornelia Kreß
Also am besten trainiert man Learning by doing im Gelände, das man beherrscht? Wenn ich jetzt nicht ständig Zugang zu Bergen habe, welche Sportarten kann ich denn nutzen, um mich fit zu halten oder auch fit zu machen?

Markus Fleischmann
Alles, was die Grundlagenausdauer trainiert und im Speziellen dann nochmal die Beinmuskulatur. Also Klassiker: Joggen, Radfahren, Biken.

Cornelia Kreß
Und würdest du sagen spezifisches Krafttraining ist nötig, weil man besonders viel Ausrüstung tragen muss? Dass man die Rumpfmuskulatur noch mal extra trainiert, weil man noch Seil und Pickel und so weiter dabei hat?

Markus Fleischmann
Ich denke eigentlich, die wenigsten Bergsteiger machen oder haben so ein spezielles Krafttraining gemacht. Ich schließe mich da ein. Letztendlich kommt es durch die Vorerfahrung an den niedrigeren Bergen, es wird jetzt hoffentlich kaum jemand auf die Idee kommen, der noch nie einen Rucksack getragen hat, auf einen Viertausender zu gehen.

Cornelia Kreß
Das hoffen wir! Aus der Community kam die Frage, wie bereite ich mich vor, wenn ich noch nie einen so hohen Gipfel bestiegen habe? Das lässt sich im Prinzip ja übertragen, wenn ich immer nur auf 2000 Meter war, ist mein Gipfelziel vielleicht ein Dreitausender, wenn ich schon auf 4000 war, ist es ein Fünftausender. Gibt es Tipps von dir als Bergführer wie man sich steigern kann?

Markus Fleischmann
Langsam und kleinschrittig, aber gleichzeitig ist klar, man muss auch wie beim Training selbst immer wieder neue Reize setzen, um sowohl physisch als auch mental den nächsten Schritt zu gehen. Wenn ich immer nur die gleichen Touren wiederhole, im gleichen Anspruch mit der gleichen Länge, dann werde ich auch in meinem Bergsteigerischen da stehen bleiben, wo ich gerade bin. Langsames Steigern, aber nicht zu große, nicht zu schnelle Schritte auf einmal, denn sonst fällt man vielleicht auf die Nase.

Cornelia Kreß
Fordern ohne Überforderung.
Wenn ich jetzt tatsächlich sehr weit von den Bergen weg bin, kam eine Frage, wie bereite ich mich im Flachland vor?

Markus Fleischmann
Ausdauer lässt sich auch im Flachland trainieren, mittels anderer Sportarten, Joggen, Biken. Man kommt aber nicht drum herum, eben auch die Bergerfahrung zu trainieren, die Beinmuskulatur. Man kann natürlich auch im Mittelgebirge regelmäßig längere Wanderung unternehmen, das trainiert natürlich auch sowas wie Beine, Knöchel, Bänder, Sehnen. Was jetzt aber die Höhe betrifft, kann man nur Erfahrung in dem entsprechenden Gelände sammeln und dann macht es natürlich mehr Sinn, so ein Ziel langfristig zu planen und dann müssen wir trotzdem irgendwann ins Gebirge reisen und Touren unternehmen.

Vorbereitung und Planung: Welcher Berg passt zu mir?

Cornelia Kreß
Hast du irgendwelche Tipps, wie man für sich selbst definiert, was das passende Bergziel ist? Also das, was wir vorher hatten: Was sind die Grundvoraussetzungen für einen Viertausender – wie stelle ich fest, ob ich die Grundvoraussetzungen erfülle?

Markus Fleischmann
Dazu müsste ich dich näher kennen, wenn du mir die Frage stellst.
Um sie sich selber beantworten zu können, was ist das richtige Ziel für mich, muss ich mir überlegen, was kann ich gut, wo habe ich gute Erfahrungen gemacht, wo habe ich vielleicht schon mal Grenzerfahrungen gemacht? Und diesen Grenzbereich dann eben kleinschrittig weiter trainieren, bis ich irgendwann in die Viertausenderzone vorstoße.

Um sich selber beantworten zu können, was ist das richtige Ziel für mich, muss ich mir überlegen, was kann ich gut, wo habe ich gute Erfahrungen gemacht, wo habe ich vielleicht schon mal Grenzerfahrungen gemacht? Und diesen Grenzbereich dann eben kleinschrittig weiter trainieren, bis ich irgendwann in die Viertausenderzone vorstoße.
- Markus Fleischmann

Cornelia Kreß
Und ich hab, oder man hat, vielleicht nicht so ein Umfeld, das wahnsinnig viel in den Bergen unterwegs ist – Wie finde ich denn eine Gruppe, mit der ich mich genau zu sowas vortasten kann oder mit der ich dann auch wenn ich soweit bin, einen Viertausender zum Beispiel angehen kann?

Markus Fleischmann
Ja, natürlich bieten da die Vereine, sprich die DAV Sektionen, in der Regel vielfältige Möglichkeiten und einen meist großen Pool an Gleichgesinnten. Manche finden Anschluss über Social Media zu Bergsportgruppen. Da ist natürlich auch ein bisschen Vorsicht geboten, wenn man sich da gleich einer größeren Tour anschließt, wenn man die Leute noch nicht kennt. Wenn ich jetzt an meine eigenen Kurse und Führungstouren der Vergangenheit zurückdenke, dann kenne ich da auch viele Teilnehmer, die sich anhand dieser Touren dann zusammengeschlossen haben, wo sich Freundschaften gebildet haben, kleine Tourengruppen, die oft über lange Zeit dann auch miteinander unterwegs sind.

Cornelia Kreß
Also ist ein Kurs nicht nur Ausgangspunkt für die alpine Kompetenz, sondern auch für die alpine Gemeinschaft?

Eine Frage, die ich auch schon am Anfang angeteasert hab, die uns schon sehr viel früher mal gestellt wurde: Welcher Bergführer passt zu mir, wie finde ich den passenden Bergführer? Einfach nur von Googlen und den Webseiten ist es ja oft ein bisschen schwer zu sagen, passt’s?

Markus Fleischmann
Das ist schwer. Und ich sage mal, das technische Know-How und das Bergführers ist ja fast schon zweitrangig, weil das haben alle unter Beweis gestellt. Entscheidend ist die zwischenmenschliche Chemie, die muss einfach passen, die muss stimmen. Im Zweifel bevor du eine große lange Tour mit jemand planst oder dich irgendwo einbuchst, probiert man mal aus mit einem Guide oder mit einem Veranstalter einfach mal einen Tag oder ein Wochenende unterwegs zu sein. Dann wirst du schon sehen, ob’s gut passt oder man lieber noch mal nach jemand anders umschaut.

Cornelia Kreß
Und wie weit im Voraus sollte ich einen Bergführer anfragen, für sagen wir eine größere Tour, nicht nur ein Wochenende, sondern halt schon mein Viertausenderziel, und dann inklusive Akklimatisierung und so weiter?

Markus Fleischmann
Ja, leider sehr frühzeitig. Die Kollegen sind oft ein ganzes Jahr lang verplant und ausgebucht, so eine Saison, die steht oft schon im Winter oder im Herbst. Also je berühmter das Ziel, desto früher lohnt es sich dann auch, da Termine durchaus fix zu machen. Bei den Hütten ist es so, dass man spätestens zu Beginn der Saison reservieren sollte, gegebenenfalls aber auch schon im Vorjahr. Das hängt dann auch vom konkreten Ziel ab.

Cornelia Kreß
Muss ich mich sonst noch spezifisch vorbereiten? Also Training und so weiter hatten wir ja schon, aber brauch ich zum Beispiel fürs Hochgebirge noch spezifischere Erste-Hilfe-Kurse oder Versicherungen?

Markus Fleischmann
Also regelmäßige Auffrischung schadet nie. Erste Hilfe im Outdoorgelände sind beliebte Themen für jemanden, der nicht zum x-ten Mal den Standard Erste-Hilfe-Kurs besuchen möchte, sondern die Anwendung draußen im Gelände. Das ist das eine. Ansonsten würde ich sagen Ausrüstungscheck ist wichtig zum Saisonbeginn. Wegen Versicherungen, DAV Mitglieder haben zum Beispiel alle notwendigen Versicherungen im Rahmen ihrer Mitgliedschaft, da muss man jetzt nicht spezielle Versicherungen abschließen solange wir jetzt hier vom Alpenraum reden.

Cornelia Kreß
Wir haben aus der Community sehr, sehr viele Fragen bekommen, und die allerallermeisten sind: Welche Viertausender sind denn für Einsteiger*innen geeignet?

Markus Fleischmann
Zunächst mal natürlich die niedrigeren Viertausender und vor allem die technisch einfacheren, also die Berge ohne besonders anspruchsvolle Gletscherpassagen, ohne anspruchsvolle Gletscherbrüche, Felsgrate etc.

Cornelia Kreß
Vielleicht haben sie sich schon gedacht, dass wir uns mit so allgemeinen Umschreibungen rauswinden und wollten konkrete Gipfelziele hören. Deswegen gab es auch noch spezifischere Fragen, zum einen mal eine Tagestour, die maximal 1600 Höhenmeter hat.

Markus Fleischmann
Auf einen Viertausender? Ja, da gibt es schon ein paar. Bei mir geht beim Thema Tagestour gleich mal die Warnlampe an, weil – da kommen wir vielleicht auch noch drauf – da haben wir das Thema Höhenanpassung, ein Höhenproblem, das funktioniert einfach nicht an einem Tag. Aber wenn man mal davon ausgeht, dass die Höhenanpassung erfolgt ist, dann kann man natürlich so Klassiker wählen wie das Zermatter Breithorn oder das Allalinhorn bei Saas Fee, wo man eben auch mit der Seilbahn schon mal einen erheblichen Teil absolvieren kann. Das heißt, man spart sich ja eigentlich den Vortag, den Hüttenaufstieg und dann habe ich da Gipfeletappen, die sind an einem Tag gut machbar.

Bei mir geht beim Thema Tagestour gleich mal die Warnlampe an, weil da haben wir das Thema Höhenanpassung, ein Höhenproblem, das funktioniert einfach nicht an einem Tag.
- Markus Fleischmann

Genau, und andere Touren, technisch leicht, zum Beispiel 1400 Höhenmeter ab Ausgangspunkt Britanniahütte wär jetzt das Strahlhorn oder Berge wie mein erster Viertausender, der Gran Paradiso, das Bishorn, das sind so technisch einfache Touren, verhältnismäßig einfache Touren!, ohne Seilbahn mit Hüttenstützpunkt.

Der Gran Paradiso gilt als verhältnismäßig einfacher Viertausender. Adobe Stock

Cornelia Kreß
Eine andere spezifische Anforderung an einen Viertausender war noch ohne Gletscherkontakt.

Markus Fleischmann
Auch das gibt es in den Alpen, zum Beispiel das Lagginhorn, Weissmies Südgrad, ja oder sogar das Matterhorn ist über den Hörnligrat ohne Gletscher erreichbar. Da haben wir halt bei diesen Touren dafür die Schwierigkeiten im Fels. Also da kommt man da nicht ohne Felskletterei durch.

Cornelia Kreß
Das heißt ganz klar, auch wenn man Bergwandern geht und da routiniert ist, kann man auch einen Viertausender ohne Gletscherkontakt nicht einfach so machen.

Markus Fleischmann
Er ist deswegen nicht unbedingt leichter, also muss ich einfach die Schwierigkeiten anschauen. Wo liegen die Schwierigkeiten, ist es die Gletscherbegehung, sind es vielleicht Felspassagen, Kletterpassagen?

Cornelia Kreß
Dann hatten wir noch Fragen in die Richtung, was man an Ausrüstung braucht und zwar ob es Viertausender gibt, die man zum Beispiel ohne Grödel, ohne Klettersteigausrüstung, Steigeisen und Pickel begehen kann.

Markus Fleischmann
Klettersteig und Grödel ist denk ich mal bei den meisten Viertausendern fehl am Platz. Wir brauchen solide Steigeisen für ausgedehnte Gletschertouren, wir haben ja oft sehr langes Gehen im Eis.
Natürlich gibt es auf anderen Kontinenten, wenn man jetzt mal außerhalb der Alpen schaut, Möglichkeiten ohne bergspezifische Ausrüstung – ich nenn’s jetzt mal salopp Wanderausrüstung –Viertausender zu machen, das geht schon, aber in unseren Alpen kenne ich keinen.

Cornelia Kreß
Mhm. Dann haben wir noch eine Frage, die sich sehr spezifisch auf einen Berg bezieht, nämlich: Wie erfahren muss man für den Mont Blanc sein?

Markus Fleischmann
Ja gut, der Mont Blanc ist der höchste Berg der Alpen, auch wenn fachkundig geführt, sollte man, ich sag mal, einige Dreitausender und zumindest so zwei bis drei niedrige Viertausender schon mal erfolgreich absolviert haben. Erfolgreich heißt mit Reserven. So, dass man da nicht am Anschlag ist, sondern diese Touren mit einem guten Gefühl hat abschließen können. Dann glaube ich, ist man bereit für den Mont Blanc.

Cornelia Kreß
Dann gehen wir mal wieder allgemeiner zu den Touren zurück. Wir haben eine Frage bekommen, ob man auch alleine gehen kann, also ohne Seilschaft.

Markus Fleischmann
Können ja, da muss man ein bisschen unterscheiden zwischen Können und Empfehlung. Beim Thema Gletscher empfehlen wir keiner Person alleine unterwegs zu sein. Auch wir Bergführer fühlen uns da am Seil mit anderen Personen einfach wohler, denn nur so kann man im Falle eines Falles einen Spaltensturz halten oder auch jemanden retten. Aber es hängt wieder von der konkreten Tour ab. Aber unsere Empfehlung ist, überhaupt beim Bergsport nicht alleine unterwegs zu sein, denn wenn man Probleme hat, hat man halt dann keinen, der einem irgendwie helfen kann.

Cornelia Kreß
Ja. Wir kommen noch mal in Richtung Vorbereitung. Wir haben hier öfter mal die Frage bekommen, wie frühzeitig muss man Bergführer und Hütten buchen und vor allem auch, was tut man bei überfüllten Hütten, kann man zum Beispiel auch unter freiem Himmel schlafen?

Markus Fleischmann
Ja, da müssen wir halt einfach berücksichtigen, dass wir die Alpen vor der Haustür haben und die Alpen natürlich auch des am meisten frequentierteste Hochgebirge der Welt sind. Das heißt, der Andrang ist einfach höher und entsprechend gibt es kaum Hütten für diese Viertausender, für die man nicht frühzeitig Plätze reservieren muss. Also diesen Pferdefuß müssen wir uns quasi anziehen.

Cornelia Kreß
Frühzeitig heißt wie früh?

Markus Fleischmann
Spätestens zu Beginn der Saison. Auch da geht es unterschiedliche Hütten, manche sind schon im Vorjahr reservierbar. Wer da spontaner unterwegs sein möchte, findet unter Umständen dann doch mal in der Bergschule einen Platz in einem Kurs- oder Tourenangebot oder eine Alpenvereinssektion, weil dort die Plätze halt lange im Voraus schon reserviert worden sind und die Teilnehmer dann erst gesucht werden. Aber wenn man selbstständig plant, dann muss man da ziemlich früh dran sein und dann halt kurz vorher abwägen, ob die Verhältnisse es tatsächlich zulassen.
Beim Thema Übernachtung im Freien müssen wir berücksichtigen, dass gerade die beliebten Viertausender natürlich schon auch in einem hochfrequentierten Umfeld sind und in der Regel das Freie Übernachten, sprich das geplante Übernachten, das Kampieren, dann in der Hüttenumgebung nicht gestattet ist. Also da würde ich jetzt mal pauschal davon abraten, es gibt vielleicht wenige Ausnahmen.

Die Britanniahütte des Schweizer Alpenclubs, Ausgangspunkt für die technisch nicht besonders anspruchsvolle Tour auf das Strahlhorn (4190m). Adobe Stock

Cornelia Kreß
Das ist ja generell in den Alpen oft so, dass man eben nicht geplant im Freien übernachten darf.

Akklimatisation und Höhenkrankheit

Wir kommen zu unserem nächsten Themenblock, und zwar dem Thema Akklimatisation und Höhenkrankheit. Gibt es denn so eine pauschale Höhe, ab der eine Höhenkrankheit auftreten kann? Und was passiert denn da im Körper eigentlich? Welche Symptome hat man und steigt die Intensität der Symptome auch mit zunehmender Höhe oder nur die Wahrscheinlichkeit, dass man Symptome bekommt?

Markus Fleischmann
Man kann sagen, so bis 2500 Meter ist in der Regel physiologisch eine Sofortanpassung möglich - durch schnelleres Atmen letztendlich. Symptome sind hier äußerst selten. Darüber hinaus ist der Körper zunächst mit einer Sauerstoffunterversorgung konfrontiert und muss sich anpassen. Das braucht mehrere Tage im Regelfall. Und das geschieht dann letztendlich über die vermehrte Bildung roter Blutkörperchen. Und bereits ab 3000 Meter ist das Thema AMS, also Acute Mountain Sickness, Abkürzung AMS, immer wieder anzutreffen, das heißt auch im Alpenraum. Äußert sich zunächst durch diffuse Merkmale wie Kopfschmerzen, Benommenheit, Übelkeit, Müdigkeit, Schwächegefühl und wird daher dann auch häufig mal nicht als solches erkannt. Man schiebt es dann gern mal auf die Sonne, auf das schlechte Essen in der Hütte, auf die Anstrengung oder sowas zurück. Leitsymptom ist aber ganz klar ein ziemlich starker Kopfschmerz. Also wer an sehr starken Kopfschmerzen beim Dreitausender oder Viertausender Bergsteigen leidet, ist doch sehr wahrscheinlich, dass da Höhenkrankheits-Symptome, sprich leichte AMS, da mit im Spiel ist. Der Name AMS ist insofern ein bisschen irreführend, weil Englisch „Acute Mountain Sickness“, wir sprechen aber eigentlich von der sogenannten milden Form der Höhenkrankheit, die jetzt für sich genommen noch nicht lebensbedrohlich ist. Aber halt physisch stark einschränkend wirkt, zu gefährlichen Situationen führen kann, wenn man in dem Zustand weiter am Berg unterwegs ist. Und sie ist gleichzeitig dann doch die Vorstufe von lebensgefährlichen Höhenhirnödemen und typischerweise auch begleitend mit dem Höhenlungenödem, das sind dann die zwei wirklichen lebensbedrohlichen Höhenkrankheiten. Dieses Höhenhirnödem tritt eigentlich erst in Höhen oberhalb 5000 Meter auf, das spielt jetzt eigentlich im Alpenraum typischerweise keine Rolle, oder eine sehr untergeordnete Rolle. Was aber durchaus immer wieder auftritt, sind die Lungenödeme, ab 2500 Metern eben möglich. Einfach ausgedrückt kann man sagen, dass hier Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge entstehen und ohne schnelle Behandlung oder ohne sofortigen Abtransport nach unten das dann auch wirklich lebensbedrohlich werden kann.

Cornelia Kreß
Heißt also nicht nur die Intensität der Symptome, sondern die Intensität der Krankheit steigt schon mit der Höhe?

Markus Fleischmann
Beides, ja, also die Intensität der Symptome, als auch die Wahrscheinlichkeit, dass Symptome auftreten, oder dass man überhaupt Symptome entwickelt. Beides steigt mit der Höhe und vor allem auch beides steigt mit der Geschwindigkeit, in der man sich in die Höhe begibt.

Cornelia Kreß
Und was tut man, wenn man höhenkrank wird?

Markus Fleischmann
Wichtigste Empfehlung ist runter! Runter vom Berg, solange es geht selbstständig, ansonsten mit Hilfe. Kleine Ausnahme, wenn man frühzeitig diese allerersten AMS-Symptome bemerkt, diese milden Begleiterscheinungen, dann kann auch ein Tag Pause auf der Hütte, ohne dass ich gleich wieder ins Tal absteige, sehr viel nützen und dann bin ich auch wieder fit. Aber wenn ich diese typischen leichten Symptome eben nicht erkenne oder ignoriere, was vielen passiert, vielen auch Unerfahrenen dem Gebiet, dann kann es eben auch lebensbedrohlich werden.

Cornelia Kreß
Kann ich denn irgendwie für die Höhe trainieren, wenn ich keine Höhe verfügbar hab? Also zum Beispiel weil ich nicht in den Bergen lebe, oder weil Touren, die eine gewisse Höhe erreichen, einfach sehr weit von mir entfernt sind.

Markus Fleischmann
Die Höhenanpassung kann ich nicht trainieren. Der Begriff Training ist da in dem Zusammenhang auch ein bisschen unpassend, weil es eben kein klassisches Kraft-, Beweglichkeits- oder Ausdauertraining ist und dieses Training auch physiologisch nichts mit der Höhenanpassung zu tun hat. Aber was man natürlich schon sagen kann, ein solider Ausdauertrainingszustand steigert im Allgemeinen die Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Körpers. Und das heißt letztendlich, die Höhenanpassung geht zwar dadurch nicht schneller, aber wenn ich dann angepasst bin, bin ich leistungsfähiger oben am Berg, auf den hohen Touren und Gipfeln.

Cornelia Kreß
Wenn wir mal bei dem Beispiel Gran Paradiso bleiben, das wir schon hatten, der hat 4061 Meter. Höhenkrankheit ist also definitiv ein Thema. Wie weit im Voraus sollte ich denn dort sein und wie gewöhne ich mich dann am Berg an die Höhe? Was wäre da deine Taktik oder deine Empfehlung für Aspirant*innen, die das erste Mal die Viertausender Marke knacken wollen?

Markus Fleischmann
Das Wichtigste ist, sich ausreichend Zeit nehmen für so eine Tour. Auch wenn die Tour selbst eigentlich nur aus einem Tag Hüttenaufstieg und dem Gipfeltag besteht, dann sollten wir für sowas eine Woche einplanen. Wenn wir das jetzt so ein bisschen skizzieren, dann kann man sagen, zumindest für den Gipfeltag sollte z.B. der Körper vollständig auf die Schlafhöhe angepasst sein. Das sind jetzt am Grand Paradiso um die 2800 Meter, wo die Hütte liegt, das wäre so das Minimum. Um sich hierfür anzupassen braucht man in der Regel schon mal zwei bis drei Tage, das ist individuell ganz unterschiedlich. Wenn ich jetzt am Gipfeltag ohne Leistungseinbuße unterwegs sein möchte, also auf der Tour selbst, dann muss ich mich letztendlich bis 4000 Meter anpassen, was typischerweise drei bis sechs Tage dauert.
So ein typischer oder empfohlener Ablauf wäre zum Beispiel am ersten Tag mal eine Tour aus dem Tal machen, die auf jeden Fall mal so an der 3000 Meter Linie kratzt, dann noch mal unten im Tal übernachten, denn dort erholt sich der Körper besser und schneller. Am nächsten Tag dann langsamer Hüttenaufstieg, am Nachmittag noch ein bisschen höher steigen im Hüttenumfeld. Dabei kann man auch die Wege, die Hüttenumgebung erkunden, sich wichtige Punkte einprägen, denn die Gipfeltouren auf Drei- und Viertausender starten ja oftmals frühmorgens, wenn es noch dunkel ist. Das hat auch einen positiven Nebeneffekt. Dann am Tag 3 durchaus noch eine Zwischentour einfügen, eine Tour auf den Nachbarberg, um die 3500-3600 Meter, zum Beispiel am Gran Paradiso die La Tresenta, das wäre so ein Nebengipfel, der da auch noch steht, schöne Hochtour, aber halt im Schatten des Gran Paradiso. Und dann sind wir am Tag 4 eigentlich bereit, für die 1300 Höhenmeter zum Gipfel und zurück.

Wenn ich am Gipfeltag ohne Leistungseinbuße unterwegs sein möchte, dann muss ich mich letztendlich bis 4000 Meter anpassen, was typischerweise drei bis sechs Tage dauert.
- Markus Fleischmann

Cornelia Kreß
OK, also wir haben verschiedene Fragen aus der Community und zwar die Erste: Muss man sich für einen Viertausender stark akklimatisieren?

Markus Fleischmann
Ja, was heißt stark – also Dauer und Umfang sind individuell verschieden, beim einen geht's schneller, beim anderen geht es etwas langsamer. Aber ohne Anpassung geht das seltenst, auch wenn du Ausdauersportler bist.

Cornelia Kreß
Was tue ich denn, wenn mich die Höhenkrankheit dann doch erwischt?

Markus Fleischmann
Schneller Abstieg ist das Wichtigste. Schneller Abtransport, wenn ich selber nicht mehr kann. Es gibt natürlich auch – ich sag jetzt mal für geschulte Laien – Notfallmedikamente, die dann durchaus auch effektiv sein können, wenn es im fortgeschrittenen Stadium ist. Oder natürlich die Gabe von Sauerstoff, auf den allerhöchsten Hütten auch durchaus im Notfall zu haben.

Cornelia Kreß
Die Frage kam auch – nicht nach dem Sauerstoff, sondern nach der Medizin. Wo bekommt man die denn her?

Markus Fleischmann
Medikamente wie Diamox, Dexamethason und Nifedipin, wie sie alle heißen, die sind verschreibungspflichtig. Wir brauchen einfach einen Arzt, einen Mediziner, der einen beraten kann und dann eben auch ein Rezept erstellen. Ich gehe lieber nicht ins Detail, denn ich bin kein Mediziner, aber es gibt, also es gibt schon Medikamente, die im Höhenbergsteigen eingesetzt werden und die im Notfall auch bei Höhenkrankheit helfen können. Aber Vorsicht, man muss eben die Notfallindikation genau kennen, denn man kann auch Fehler machen, wenn ich das falsche Medikament bei der falschen Art der Höhenkrankheit gebe. Wir hatten vorhin drüber gesprochen, über AMS und die Hirn- und Lungenödeme, also zum Beispiel beim Höhenlungenödem kann ich mit dem falschen Medikament noch mehr kaputt machen.

Zum Beispiel beim Höhenlungenödem kann ich mit dem falschen Medikament noch mehr kaputt machen.
- Markus Fleischmann

Ausrüstung für einen 4000er

Cornelia Kreß

Wir sind jetzt in der Theorie schon ziemlich gut vorbereitet, wissen, wie wir trainieren müssen, wissen, welche Berge für Anfänger*innen geeignet sind. Jetzt fehlt uns noch die Ausrüstung. Was braucht man denn so ganz generell für so eine Tour auf einen Viertausender?

Markus Fleischmann
Hängt wieder von der konkreten Tour ab. Wenn wir jetzt mal bei den leichten Touren mit typischem Gletscheranstieg ohne sonstige Kletter-, Felstechnischen Schwierigkeiten bleiben, dann ist es die klassische Hochtourenausrüstung. Von der Bekleidung vielleicht einen Tick wärmer als ähnliche Touren in den Ostalpen.

Zur Hochtourenausrüstung gehören unter anderem Pickel und Steigeisen. DAV/Marco Kost

Cornelia Kreß
Brauch ich das alles selber oder stellt mir auch eine Bergschule oder vielleicht auch eine Sektion was, was ich ausleihen kann?

Markus Fleischmann
Also typischerweise bringt man die Kleidung, die Schuhe, den Rucksack, so die persönlichen Sachen, die Sonnenbrille, die Trinkflasche, die Thermosflasche, das bringt man selber mit. Und ausleihen kann man natürlich in der Regel Steigeisen, Pickel, die Sicherungsausrüstung, eventuell einen Helm, das Seil bringt sowieso der Tourenführer oder die Tourenführerin. Das ist sowohl in den DAV Sektionen wie natürlich in den Bergschulen oft standardmäßig Leihmaterial.

Cornelia Kreß
Gibt es auch Ausrüstungsgegenstände, die man sich in der Gruppe teilen kann? Vom Wandern kennt man es ja zum Beispiel vom Erste-Hilfe-Set, das jetzt nicht jede einzelne Person dabei haben muss.

Markus Fleischmann
Ja, Erste-Hilfe-Set und Zwei-Personen-Biwaksack, das ist durchaus üblich, dass man das paarweise mitnimmt. Es braucht auch nicht jeder ein Bergseil. Klar, da kann man sich absprechen, aber die anderen Sachen sind in der Regel persönliche Dinge.

Cornelia Kreß
Was ist denn für dich so ein Gadget, das du immer dabei hast, was auf gar keinen Fall fehlen darf?

Markus Fleischmann
Ja, witzigerweise die Headsets um eine gute Musik beim Einschlafen zu hören. Das fördert einen gesunden Schlaf, wenn ich nicht den anderen beim Schnarchen zuhören muss.

Cornelia Kreß
Sehr gut. Also bei dir sind die Ohropax nicht Grundausrüstung, sondern das Headset, sehr schön. Und ich bin mir sehr sicher, dass deine Notfallausrüstung natürlich auch ein unverzichtbarer Gegenstand ist.

Markus Fleischmann
Ja, das haben wir natürlich alle dabei.

Cornelia Kreß
Was würdest du denn sagen, gibt es da so einen Richtwert, was jetzt so inklusive Essen und Trinken für meine Tour das maximale Gewicht von meiner Ausrüstung sein sollte?

Markus Fleischmann
Es gibt so eine Faustformel, dass man sagt, für lange Belastungen, lange Touren sind 20 bis maximal 25 Prozent vom Körpergewicht das Maximum, was man überhaupt sinnvoll tragen kann. Die Ausrüstung ist aber heutzutage so leicht geworden, also ich behaupte mal, mehr als acht bis allerhöchstens zehn Kilo Gesamtgewicht im Rucksack inklusive Essen und Trinken ist nicht notwendig.

Cornelia Kreß
Wir haben auch zu dem Thema Communityfragen bekommen, die sind ein bisschen tiefergründig würde ich sagen als zu den anderen Bereichen, und zwar die eine ist schon mal: Satellitentelefonie beim neuen iPhone – so gut wie Garmin inReach? Habt ihr da Infos?

Markus Fleischmann
In der Tat noch wenig Praxiserfahrung. Grundsätzlich ist es ja so, Apple nutzt da nicht das Iridium Netz wie die Garmin inReach Geräte. Das heißt, wir haben keine weltweite Abdeckung, in den Alpen sollte es aber gut funktionieren. Für die Nutzer, die jetzt nicht wissen, was heißt Garmin inReach: Letztendlich sind es Satelliten-Notrufsender, die entweder nur die Position oder Verbindung Position mit Textnachrichten in einem Notruf absetzen an eine weltweite 365 Tage 24 Stunden Notrufzentrale, unabhängig vom Mobilfunknetz. Das, was wir in der Stadt, im Flachland gewohnt sind, fast durchgängige Netzabdeckung, ist natürlich auf den hohen Bergen, gerade auf den Viertausendern über weitere Strecken noch nicht der Fall.

Cornelia Kreß
Wir haben noch eine Frage ganz konkret zur Bekleidung, und zwar, was ist denn eine geeignete Hose, Hardshell oder Softshell? Sollte man einen Base Layer drunterziehen, wie handhabst du das denn?

Markus Fleischmann
Also ich persönlich gehe normalerweise, wenn das Wetter gut ist in Softshell im Sommer, ich hab eine Hardshell im Rucksack für alle Fälle, wenn der Regen doch kommt, das Gewitter, der Sturm. Base Layer benutze ich persönlich eigentlich nur im Winter, wenn einfach noch mal das Temperaturniveau niedriger ist. Aber letztendlich hängt es auch von den persönlichen Vorlieben ab oder wie die allgemeine Wetterlage, Temperaturniveau gerade ist.

Cornelia Kreß
Eine Winterfrage haben wir auch, nämlich: Eine Winterbesteigung ohne Ski würde eine fragestellende Person interessieren, und zwar geht es auch mit Tubbs, zum Beispiel, also mit Schneeschuhen?

Markus Fleischmann
Kann man machen, machen wenige. Es ist einfach noch mal etwas anstrengender zum Gehen und zum Spuren, aber prinzipiell, ja, viele besteigen auch Viertausender immer mehr im Winter. Es ist auch eine Folge des Klimawandels, weil natürlich im Hochsommer auch an den Viertausendern die Gletscherverhältnisse schlechter werden, dass irgendwann manche Touren einfach nicht mehr gehen. Aber wichtig im Winter, mit alpiner Schneelage ohne Ski, Schneeschuhe oder ähnliches Equipment, also nur zu Fuß, hast du eigentlich keine Chance.

Cornelia Kreß
Dann haben wir noch eine ganz, ganz konkrete Frage: Möchte im Mai den Dom in der Schweiz machen, was brauche ich alles?

Markus Fleischmann
Im Mai den Dom. Der Dom hat eigentlich zwei berühmte Anstiege, das ist der Normalweg oder der Festigrat. Der Festigrat wär vielleicht der etwas schönere, aber natürlich auch durch den Fels etwas anspruchsvollere Weg. Im Mai herrscht an den Viertausendern typischerweise noch Winter, Spätwinter. Also heuer werden wir sicherlich jetzt mit wenig Schnee in den Tallagen, aber sehr überdurchschnittliche Schneebedeckung in den hohen Lagen durchaus im Mai noch viel Schnee haben. Es kommt dann auf die aktuellen Wetterbedingungen an, ob der Schnee gefriert.

Cornelia Kreß
Also würde sich eher einer Winterbesteigung ähneln?

Markus Fleischmann
Also es ist auf jeden Fall eine Übergangszeit, der Mai, für die Viertausender, ja.

Unterwegs am Berg

Cornelia Kreß
Dann sind wir bei unserem vorletzten Themenblock „Unterwegs am Berg“. Wir sind jetzt also in der Theorie sehr gut vorbereitet. Wir haben unsere Ausrüstung zusammen und sind sozusagen auf Tour. Was müssen wir denn da beachten?

Markus Fleischmann
Zunächst mal sollte man ein bisschen in sich gehen und überlegen, den eigenen Körper befragen, sind wir tatsächlich fit, passen die Rahmenbedingungen, passt die Gruppendynamik. Wenn wir fragen, was ist unser Ziel, dann heißt es nicht, wo geht es hin oder was ist der Berggipfel, sondern warum sind wir zusammen unterwegs? Und dann muss man natürlich die aktuellen Wetterverhältnisse, die aktuellen Bedingungen auf der konkreten Tour checken, das heißt da wirklich Fakten einholen, Berichte einholen, Informationen sammeln.

Wenn wir fragen, "was ist unser Ziel?", dann heißt es nicht, wo geht es hin oder was ist der Berggipfel, sondern warum sind wir zusammen unterwegs?
- Markus Fleischmann

Cornelia Kreß
Garmin inReach und Satellitentelefonie, weil die Netzabdeckung nicht so gut ist – habe ich auf den Hütten genug Netz, um die Infos zu bekommen oder stellen mir die sonst die Hüttenwirtsleute zur Verfügung?

Markus Fleischmann
Auf den Hütten ist es in der Regel weniger das Problem, also es ist nicht gesagt, dass auf jeder Berghütte ein guter Mobilfunkempfang ist. In der Regel bekommt man dann aber die Infos über die Verhältnisse an dem Berg der jeweiligen Hütte, denn es gibt ja fast immer jemanden, der die Tage vor einem dort unterwegs ist und Hüttenpächter oder andere Tourenführer, Bergführer da auch Auskunft geben können.

Cornelia Kreß
Wir starten also los, – was ja schon auch einfach sehr anstrengend ist und die große Belastung durch die Höhe – wieviel an Proviant sollte ich denn mitnehmen und wie regelmäßig sollte ich was Essen und Trinken auf Tour? Oder starte ich sehr früh mit einem guten Frühstück und bin ja dann eh am frühen Nachmittag wieder zurück?

Markus Fleischmann
Ausgedehnte Frühstücke sind eher selten und klar ist es persönlich unterschiedlich, je höher das Ziel, desto früher muss man in Regel aufbrechen, desto spartanischer das Frühstück auf den Berghütten. Grundsätzlich, wie bei allen Bergtouren auch: regelmäßiges Essen, regelmäßiges Trinken ist wichtig. Beim Trinken schon etwas mehr einplanen, weil durch die Höhe - die überdurchschnittliche Höhe im Vergleich zu anderen Touren, die man kennt - der Körper einfach mehr Flüssigkeit braucht, auch mehr Flüssigkeit verdunstet, da braucht es einfach mehr Menge an Wasser letztendlich. Beim Essen im Bergsport allgemein Kohlenhydrate am Tag vorher schadet nie, viel Fleisch und fettes Essen ist vielleicht eher ungünstig, aber das muss jeder selber ein bisschen für sich wissen.

Cornelia Kreß
Wir haben es schon gerade, je nachdem wie lange die Tour ist, geht es früher los. Wir haben eine Frage aus der Community bekommen: Wie früh losgehen ist früh genug?

Markus Fleischmann
Im Grunde so früh, dass man in der Regel im Laufe des Vormittags den Abstieg wieder hinter sich hat, zumindest den Abstieg aus den Gletscherbereichen. Denn das sind die Bereiche, die dann gegen Mittag oder gegen Nachmittag bei schönem Wetter im Sommer auch einfach gefährlicher werden, wenn der Schnee aufweicht und die Spaltengefahr dann zum Beispiel zunimmt. Insofern ergibt sich dann aus der Länge der Tour, aus den Höhenmetern, wann Aufbruchszeit ist. Das variiert zwischen 4 oder 5 Uhr an den leichteren, kürzeren Viertausendern bis hin zu halb 2, 2 am Mont Blanc.

Cornelia Kreß
Du hast schon gesagt, Spaltensituation, Risiko, deswegen geht man ja auch ab und zu am Seil. Die Frage aus der Community ist hier, wie entscheidet ihr, ob ihr Seil am Gletscher anlegt oder nicht?

Markus Fleischmann
Relativ klare Regel: Sobald ein Gletscher schneebedeckt ist im Sommer zu Fuß mit Seil, ohne Seil sind wir auf dem aperen, also blanken Gletscher unterwegs. Kompliziert wird es dann in steilen Firnpassagen, dann muss ich nämlich abwägen, was überwiegt, die Spaltensturz- oder die Absturzgefahr.

Cornelia Kreß
Eine andere Frage haben wir noch bekommen, und zwar wie verschiebt sich die Hochtourensaison aufgrund des Klimawandels?

Markus Fleischmann
Tendenziell ins Frühjahr und in den Herbst. Was jetzt die Bedingungen anbelangt, auch von Berg zu Berg unterschiedlich. Manche Stützpunkte müssen heutzutage früher schließen, weil die Touren nicht mehr begangen werden können, und sperren dann nicht mehr im Herbst für die zwei, drei Wochen, wo es wieder gut wäre, auf. Also im Allgemeinen ins Frühjahr, einzelne Touren können dann auch im Herbst, bevor der Winter kommt, auch noch mal gute Bedingungen aufweisen.

Cornelia Kreß
Und wenn die Hütten dann aber nicht aufmachen, haben Hütten an Hochtourenrouten, die so hoch gelegen sind, auch so was wie Winterräume, die genutzt werden können, wenn die Hütte nicht bewirtschaftet ist?

Markus Fleischmann
Da muss man sich individuell informieren. Das gibt‘s schon, gerade während der Schließungszeiten, dass man dann die Möglichkeit hat, einen Winterraum zu nutzen. Das kann ja durchaus auch ein geplantes Ziel sein für jemanden, der finanziell ein bisschen sparsamer unterwegs sein möchte, es gibt natürlich auch Biwakschachteln.

Cornelia Kreß
Und wenn wir jetzt sagen, die Hochtourensaison ist eher im Frühsommer und im Herbst wieder. Man kann ja wahrscheinlich, je nachdem wie das Jahr verläuft, nicht so konkret sagen, welche Monate eigentlich nicht mehr gehen. Aber hast du eine Faustformel, wo du sagst, ok, jetzt hatten wir so und so lange eine 0 Grad Grenze über 3000 Metern, jetzt geht es nicht mehr. Gibt es irgendwelche Orientierungswerte oder muss man da einfach drauf hören, was auch andere Bergführer und Bergschulen sagen? Letztes Jahr war ja zum Beispiel ganz klar, also es ging ja tatsächlich durch die Presse eher -

Markus Fleischmann
Also wenn natürlich über mehrere Tage, die 0 Grad Grenze über die 4000 Meter steigt, dann sind schlechte Bedingungen erwartbar und die Folge, das kann man eigentlich schon sagen. Ansonsten ist es sehr individuell verschieden, es lohnt sich auf jeden Fall für das konkrete Ziel ein paar Forschungen anzustellen. Was war die Tage, die Wochen vorher? Wenn die Verhältnisse schlechter werden, sprich Spaltenzonen größer, Randklüfte größer, irgendwann unüberwindbar, dann findet man diese Informationen auch.

Cornelia Kreß
Würdest du sagen, es verschiebt sich aufgrund des Klimawandels auch nicht nur die Zeit, sondern auch die Ziele? Gibt es auch viele Ziele, die eigentlich sehr begehrt waren, die inzwischen zumindest extrem anspruchsvoll geworden sind und aus dem Anfängerbereich rausgefallen sind? Wir hatten es jetzt bei den Fragen öfter: Welche Viertausender sind gletscherfrei begehbar, wo man ja als Wanderer vielleicht oft das Gefühl hat, ok, das ist einfacher, aber dann kommen ja solche Gefahren wie Felssturz zum Beispiel stärker zum Tragen. Siehst du schon Auswirkungen an konkreten Gipfelzielen?

Markus Fleischmann
Ja, durchaus. Es sind oft die Übergänge vom Gletscher in die in die Felsbereiche, die einfach steiler und steinschlaggefährdeter werden. Es ist so, dort wo Gletscher verschwinden, da ist es erstmal ungünstiger. An sich war die frühere ausgeprägte Vergletscherung quasi ein Segen für die Bergsteiger, weil auf einem dicken Gletscher kann ich mich relativ einfach bewegen. Schwierig, kompliziert und auch unkalkulierbarer werden jetzt eben die geröllbedeckten Flanken und Rinnen und das schotterbedeckte Gelände.

An sich war die frühere ausgeprägte Vergletscherung quasi ein Segen für die Bergsteiger, weil auf einem dicken Gletscher kann ich mich relativ einfach bewegen. Schwierig, kompliziert und auch unkalkulierbarer werden jetzt eben die geröllbedeckten Flanken und Rinnen und das schotterbedeckte Gelände.
- Markus Fleischmann

4000er für ein schmales Budget

Cornelia Kreß
Dann haben wir noch ein letztes Kapitel, das ich tatsächlich in dem Konzept gar nicht bedacht hab, sondern eher durch die Fragen drauf gekommen bin. Wir haben ja viel gesprochen über Kurse, über Ausrüstung, wir sollten mit Bergführern gehen, wir brauchen eine Hüttenübernachtung, wir müssen erst mal irgendwo hinkommen – und das alles geht ganz schön ins Geld. Zumal ja die meisten Viertausender der Alpen in der Schweiz liegen und deren Preisniveau nicht unbedingt zu unserem Lohnniveau passt. Hast du irgendwelche Tipps für Menschen, die nicht mehrere Monatsgehälter in eine Bergunternehmung investieren können oder auch wollen. Wo kann man vielleicht sparen und woran sollte man auf gar keinen Fall sparen?

Markus Fleischmann
Klar, ein bisschen sparen lässt sich einfach schon mal durch die Mitgliedschaft in alpinen Vereinen, DAV-Mitglieder haben auch in der Schweiz, in Italien, auch in Frankreich bisschen Preisvorteile auf den Hütten. Ein großer Batzen ist natürlich der Tourenführer, die Tourenführerin, der Bergführer, der Hochtourenkurs. Ja, sowas gibt es beim DAV günstiger, eben weil dort die Aktionen ehrenamtlich geführt werden – dementsprechend rar sind halt oft die Plätze. Bei der Ausrüstung würde ich jetzt nicht unbedingt bei der essenziellen Ausrüstung sparen. Sowas wie Schuhe, Steigeisen, das muss einfach passen und sitzen, dass man Freude hat und keine Probleme bekommt oder sich in gefährliche Situationen manövriert. Man kann natürlich Ausleihmöglichkeiten nutzen in den Bergschulen, in den DAV-Sektionen; klassische Bergsteiger-Hardware ist auch ausleihbar. Stichwort gebrauchte Ausrüstung: Prinzipiell ja, Vorsicht bei Ausrüstung von Unbekannten, gerade in puncto persönliche Schutzausrüstung, sowas wie Seile, Helme, Bandschlingenmaterial, haben nur eine begrenzte Lebensdauer und deren Zustand ist auch schwer kontrollierbar. Wenn ich die Person nicht kenne und da kein Vertrauen hab, dann würd ich lieber im Fall des Falles die Finger davon lassen.

Cornelia Kreß
Hast du so eine Kategorie, was so ein Mindestbudget ist für so eine Unternehmung? Sagen wir mal ich habe gute Bergschuhe, ich hab sogar, auch wenn es unwahrscheinlich ist, steigeisenfeste Bergschuhe. Ich kann mir Sachen ausleihen und ich brauch einen Bergführer, Anreise lassen wir raus, Hüttenübernachtung. Was kostet so eine Hochtourenunternehmung mit einem Bergführer eine Woche lang?

Markus Fleischmann
Da kommt es jetzt stark drauf an, ob du den Bergführer für dich alleine haben möchtest. Dann müssen wir eigentlich im Hochsommer in den Westalpen mit 500 bis 700€ pro Tag rechnen. Variiert von der Location und letztendlich von der Nachfrage. Die Übernachtung selbst kostet dich die Halbpension zwischen 60 und 80€, je nachdem, was du konsumieren möchtest, 100€ wenn es etwas luxuriöser ist. Ein Bergführer lässt sich natürlich je nach konkreter Tour auch in der Gruppe teilen. Also es gibt durchaus Viertausender, die klassisch in der Seilschaft mit einer Gruppe von vier, fünf oder sechs Personen besteigbar sind, dann relativieren sich die Kosten natürlich ein bisschen.

Cornelia Kreß
Das heißt, dass wäre schon mal ein Punkt, den wir der Community-Frage nennen könnten, wie finanziere ich das Ganze als Student? Lieber in Gruppen gehen, wär dann ein Punkt zum Beispiel?

Markus Fleischmann
Ja, also zunächst mal, klar, um die Ausrüstung und dann auch die Basisausbildung, sprich Hochtourenkurs, da kommt man nicht drum rum, den muss man irgendwann mal machen. Wer da zeitlich flexibler ist, kann natürlich Angebote vergleichen oder eben gerade auch auf die Alpenvereinsangebote zurückgreifen, die dann schon deutlich günstiger sind. Bei den Hütten muss man überlegen, ob es anstatt der teuren Hütten an den Modebergen vielleicht weniger bekannte Ziele tun. Oder vielleicht mal statt dem 4000 Meter nur der 3999 Meter hohe Berg, der mit Selbstverpflegung in der Biwakschachtel, am besten unter der Woche, wenn die dann auch frei ist und nicht so viel los ist. Wenn man flexibel ist und jetzt nicht auf den Mont Blanc im Juli, Samstag und Sonntag angewiesen ist – dann kann man auch. Sparen.

Cornelia Kreß
Dann haben wir noch eine Frage: Bergführer sind verdammt teuer. Gibt es dafür eine Alternative? Wenn ich antworten müsste, würde ich sagen, nein. Was sagst du als Bergführer?

Markus Fleischmann
Nicht wirklich, wenn du nicht über Vitamin B jemanden kennst. Nein, wir sind da wieder beim Thema, entweder Bergführer, Bergschule oder eben alpine Vereine. Klar, die Bergführer haben natürlich noch mehr Background Know-How und Erfahrung im Hintergrund meistens, aber ich würd das jetzt nicht pauschalisieren. Entscheidend ist, dass die Person, der ich mich dann da anvertraue oder mit der ich gemeinsam die Unternehmung mache, dass man da einfach ein gutes Verhältnis, ein gegenseitiges Vertrauen hat.

Cornelia Kreß
Damit haben wir alle Fragen aus der Community beantwortet. Würdest du als unser Experte, wie ich dich auch angekündigt habe, sagen, wir haben damit alle wichtigen Punkte abgedeckt oder fehlt noch was?

Markus Fleischmann
Ich glaube, wir haben viel besprochen. Die wichtigsten Sachen sind, glaube ich, beieinander.

Cornelia Kreß
Welche Bergziele stehen bei dir diesen Sommer oder Frühsommer an?

Markus Fleischmann
Ich werde etwas reisen, eher in den Fels. Und jetzt meine Lehrteams schulen die nächsten Wochen, dass wir dann auch eine gute Trainerausbildung im DAV machen.

Cornelia Kreß
Wunderbar. Und da werden dann wahrscheinlich viele unserer Hörer*innen teilnehmen bei euren Ausbildungen. Und damit wünsche ich dir und uns und uns allen einen sehr schönen Sommer mit schönen Touren und vor allem, dass alle immer sicher zurückkommen. Danke dir.

Markus Fleischmann
Danke ebenso.

Angela Kreß
Und, reizt es euch nach den vielen Tipps, die lang ersehnten hohen Gipfelziele ins Visier zu nehmen? Für die passenden Vorbereitungskurse fragt am besten direkt bei eurer Sektion an.
Wer schon Kurse gemacht und Erfahrungen gesammelt hat, kann sein Hochtourenwissen mit den Youtube-Videos vom Österreichischen Alpenverein aus der Serie „Sicher am Berg“ noch einmal auffrischen.
So oder so, wir wünschen viel Spaß bei euren Bergunternehmungen, kommt immer gesund zurück!
Wenn euch der Bergpodcast gefällt, abonniert ihn am besten, damit ihr auch in Zukunft keine Folge mehr verpasst. Und damit, bis zum nächsten Mal – Tschüss und auf Wiederhören!

 

 

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