Das österreichische Bundesland Vorarlberg kommt einem immer etwas anders vor. Vor allem anders als das angrenzende Tirol. Deutlich sind hier alemannische und schweizerische Einflüsse in Sprache, Kultur und Kulinarik spürbar. Ein besonders schöner Unterschied zu umliegenden Regionen ist die Architektur. Die Farben der Wälder und Berge sind in den Fassaden der traditionellen Gebäude wiederzufinden: Die Holzschindeln verändern ihre Färbung von weißlich hell, wenn sie frisch gelegt wurden, über golden bis hin zu sonnenverbrannt schwarz. Die Orte sind weitgehend frei von Bausünden und auch für die meisten neuen (Hotel-)Bauten wurde ein guter Weg gefunden, um moderne Architektur in die teils Jahrhunderte alten Ortskerne einzufügen. Und das ganz ohne den sonst so gerne genommenen Alpenkitsch. „Das Handwerk, vor allem das Holzhandwerk spielt hier eine große Rolle, daher wird auf die Bauweise und Architektur schon immer großer Wert gelegt“, sagt Christian Reich und erklärt gleich, welches Holz hier verwendet wird (Fichte oder Weißtanne), und wie lange so eine Schindelfassade hält (bis zu hundert Jahre), und dass Schindeln nicht gesägt, sondern gespalten werden (so bleibt die Faser intakt und Regenwasser kann besser ablaufen). Auch er hat sein Alpenhotel Post in Au erst vor Kurzem modernisiert und natürlich kamen auch dort Schindeln zum Einsatz.
Heute ist Christian unser Bikeguide. Eine kurze, steile Rampe sorgt nach dem Einrollen für ordentlich Puls und es gibt den ersten Ausflug ins Gelände: Von einer kleinen Anhöhe über dem Talboden geht es über einen netten Wiesenweg bergab, an der Wendelinkapelle vorbei, dann lässt einen ein ruppiger Karrenweg überprüfen, ob die Federung des Bikes zuverlässig arbeitet. In Bizau ist man wieder zurück im Tal und es beginnt die erste längere Auffahrt der Runde. Doch diese fällt leicht, denn sie geht über geteerte Straßen ohne Verkehr an einem sonnigen Hang empor, vorbei an einigen Weilern, eine sanfte Abfahrt führt auf die Mautstraße, die zur Vorsäßsiedlung Schönenbach führt. Die Strecke ist flach genug, um zu ratschen und so berichtet Christian, was sich im Tal alles geändert hat. Auch hier sind die Winter nicht mehr die, die sie einmal waren, und auch die Gäste und deren Interessen ändern sich. Christian setzte lange auf Motorradgruppen, die von seinem Hotel aus die Pässe der Arlbergregion erkundeten. Als es darum ging, den Betrieb allmählich an die Tochter zu übergeben, wollte sie etwas anderes machen: Das Hotel ist jetzt ein Familienhotel und die meisten Gäste erkunden die umliegenden Berge per Mountainbike, mit „E“ und ohne. Die örtlichen Mountainbiketouren punkten hauptsächlich mit landschaftlichen Reizen: Durch sanfte Almlandschaften geht es, hinauf unter steile Felsgipfel und selbst die sonst oft etwas mühsamen flachen Talpassagen werden hier entlang der Bregenzer Ache auf dem Radweg und vorbei an so manch gutem Café oder Käseladen zum entspannten Vergnügen. Die Touren verlaufen größtenteils über bestens fahrbare Forstwege, auch technisch weniger Versierte haben hier ihren Spaß.
Ein paar Kilometer folgen wir gemütlich der Mautstraße, bis sich das Tal weitet. Große Weiden und ein paar Almgebäude gibt es, in der malerischen Dreifaltigkeitskapelle kommt gerade eine komplette Hochzeitsgesellschaft an. Wem jetzt schon nach einer Brotzeit ist, hat Glück: Die Tische unter den Sonnenschirmen des Jagdgasthauses Egender sehen sehr einladend aus. Doch wir drehen noch eine kleine Extrarunde durch den schönen Talschluss, über aussichtsreiche Wege geht es nochmal eine gute halbe Stunde im Kreis, dann aber: Käsknöpfle. Radler. Ein Traum.
Wer zum Mountainbiken in den Bregenzerwald kommt, ist in einem der Betriebe der Vereinigung „Mountainbike Holidays“ gut aufgehoben. Warum das so ist, zeigt das Alpenhotel Post in Perfektion. Wasch- und Unterstellplätze für die teuren Bikes gibt es, einen Waschservice, damit schon am nächsten Morgen das Trikot wieder duftet, ebenso wie eine kleine Werkstatt für Reparaturen am Rad. Auch bei der Verpflegung, vor allem beim Frühstück, weiß man, welchen Treibstoff es braucht für einen langen Tag im Sattel. Die Highlights sind aber natürlich die geführten Touren und das Biketestcenter. Wer sich hier ein Bike ausleiht, wird staunen: Ein Scanner erfasst die Körpermaße, um ein Bike in der richtigen Größe und mit der richtigen Geometrie zu finden, ein Hocker mit Sensoren misst den Abstand der Sitzknochen, so kann der passende Sattel ausgewählt werden – diese technische Ausstattung haben viele Fahrradfachgeschäfte nicht zu bieten.
Der Weiterweg unserer Bikerunde ist so lala: Wer kennt es nicht, Käsknöpfle (oder Spätzle, je nach Region) sind ein wunderbares Berggericht. Ein wunderbares Sportgericht sind sie aber realistisch betrachtet nicht. In der Auffahrt zum Stogger Sattel liegen sie doch deutlich schwer im Magen und halten als Ausrede für die ebenso schweren Beine her.
Guide Christian ist nicht allzu beeindruckt von der Steilheit und hat Luft, zu erzählen: „Hier wurden die Schweine aufgezogen, deren Fleisch ich in meiner Küche verarbeite.“ Zum Fleischkonsum gibt es verschiedene Meinungen, aber dass die Tiere hier ein gutes Leben hatten, ist unstrittig. Und kürzer können die Wege auch kaum sein, ganz im Sinne des Klimaschutzes, denn von der Passhöhe, die wir bald schnaufend erreichen, sieht man schon wieder hinunter ins Tal nach Au. Südlich von uns ragt ein markanter Gipfel empor, steile Felsrippen ziehen durch die grasigen Matten: der Diedamskopf. Im Winter (gerade auch zum Freeriden) ein beliebtes Skigebiet, jetzt im Sommer geht es mit der Gondel hinauf zum Wandern, wer engagiert auf dem Bike unterwegs ist, freut sich über ein echtes „Höhenmeter- Testpiece“. Fast 1300 Höhenmeter sind es von Schoppernau aus. Wir machen den Ausflug am nächsten Tag bei mittelmäßigem Wetter lieber gemütlich per Gondel und spazieren die wenigen verbleibenden Höhenmeter zum Gipfel hinauf. Dort ist Staunen angesagt, es ist ein Aussichtsgipfel der Extraklasse: Im Norden breitet sich der Bodensee aus, dreht man sich im Uhrzeigersinn weiter, blickt man ins Kleinwalsertal (Ifen! Schwarzwasserhütte!), es folgen die markanten Gipfel der Arlbergregion im Südosten, schließlich stehen die Schweizer Berge der Glarner Alpen und der Säntis Spalier.
Wir sind auf der Bikerunde durch für heute mit Anstrengung. Was folgt ist eine rauschende Abfahrt über beste Wege und Sträßlein, ein paar kleine Trailabschnitte lassen sich auch nebendran finden und schon stehen wir wieder in Au. Wir kommen direkt an der Bergbrennerei Löwen vorbei, traumhaft in einem historischen Gebäude untergebracht. Die Verkostung im Brennereilädele verschieben wir aber lieber auf später, frisch geduscht sind wir sicher noch willkommener. Wer ein Restaurant fürs Abendessen sucht, wird hier mit dem Angebot aus klassischen und regionalen Spezialitäten im modernen Gewand sicher happy.
Ein kleines Highlight ist das Trailcenter Au- Schoppernau. Ein Pumptrack (eine Wellenbahn, auf der man im Idealfall ohne zu treten, nur mit Pumpbewegungen im Kreis fährt), ein familientauglicher Trail zum Hinauffahren und verschiedene Trails für die Abfahrt schlängeln sich perfekt angelegt durch ein schönes Wäldchen. Gerade Familien mit Kindern sind hier bestens aufgehoben: Die Kids feilen ebenso wie die Eltern an ihrer Technik und können sich auf dem Pumptrack auspowern, bis eine gute Nachtruhe garantiert ist. Nur ein kleines Stück weiter gibt es auch noch einen tollen Spiel- und Bolzplatz in einer saftig grünen Wiese direkt am Fluss.
Das Wetter zeigt sich die nächsten Tage leider nicht von seiner besten Seite, aber ein kleines Zeitfenster mit blauem Himmel tut sich doch noch auf und es reicht für eine kurze Tour zur Bergkristallhütte. Dort ist für heute Schluss, aber für den nächsten Besuch ist schon ein Ziel ausgemacht: Den Talschluss dominiert der massige Zitterklapfen. Was für ein Name für einen anspruchsvollen Wanderberg! Eine Besteigung bietet sich als Bike&Hike-Tour an. Per Bike geht es über gute Forstwege und 560 Höhenmeter zur Annalperau-Alpe, von dort sind es dann immer noch stolze 1100 Höhenmeter zum 2403 Meter hohen Gipfel. Regelmäßig bietet der Tourismusverband diese Tour geführt mit Bergführer an. Kondition und technische Fähigkeiten müssen dafür aber gegeben sein. Also, das nächste Tourenziel ist ins Auge gefasst, es hilft nichts, wir werden wiederkommen müssen!
Tipps für den Bergurlaub
Bergbahn: Mit der Gondel auf den Diedamskopf für einen kleinen Gipfelspaziergang oder größere Wanderungen, im Winter Skigebiet (auch Freeride); diedamskopf.at
Skitouren: z.B. auf den Lug, den Toblermannskopf oder die Kanisfluh.
Sportklettern: Die Galerie Platten in Au, Klettergarten Au-Schnepfau (Führer: Sportkletterführer Vorarlberg, Panico Alpinverlag).
Klettersteig: Nur zehn Minuten Zustieg zu den talnahen Wiedaschrofa-Sportklettersteigen Abendrot-Klettersteig und Wälder-Klettersteig detaillierte Toureninfos
Rennrad: große Passtouren in Richtung Warth-Schröcken oder flachere Touren in Richtung Rheintal.
Kulinarik: Gasthaus Löwen mit Brennerei; Käsestraße Bregenzerwald
(Heil-)Kräuter: Für alle, die sich für (Heil-)Kräuter interessieren: Alpendrogerie Beer