Person klettert im felsigen Gebirge
Essenzielle Frage für nachhaltigen Bergsport: In welchem Verhältnis stehen Erlebnis und Aufwand der Tour? Foto: DAV/Julian Rohn
Mach’s einfach: Besser reisen?

Einmal oder immer wieder?

Objektiv betrachtet ist Bergsport eine unnötige Ressourcenverschwendung. Für uns Aktive kann er Erlebnis, ja Lebenssinn bringen. Wie lässt sich dieser Zwiespalt versöhnen – in einer Praxis des „besser Reisen“?

Immer noch emittiert jeder Mensch in Deutschland statistisch 10,5 Tonnen Treibhausgasäquivalente pro Jahr, ein bis zwei Tonnen werden wissenschaftlich als vertretbar betrachtet, um die Klimaerhitzung in einer für die Menschheit verträglichen Höhe zu begrenzen. Zu diesen Emissionen gehören als größte Posten Konsum (2,9 t) und Mobilität (2,2 t). Dazu müssen wir Reisen und Sport rechnen, also auch die Befriedigung unserer Bergsehnsüchte. Damit stellt sich die Frage, wie wir unsere Träume und Wünsche (oder Gewohnheiten) rechtfertigen und/oder „klimaverträglich“ gestalten können.

Der Wert des Sinns

Die allererste Frage wäre, wie bei jedem Konsumakt: Brauche ich das? Wie viel Sinn gibt der Bergsport meinem Leben, den ich nicht durch etwa Lesen oder Musikhören gewinnen kann? Ist das Trekking in Nepal, der Anden-Sechstausender, die Lofotenwanderung so viel erlebnis-intensiver als die Weitwanderung in den Südalpen oder die Skitour im Hochkarwendel? Ist mein Bedürfnis „echt“ oder arbeite ich nur Bucket Lists ab, damit ich auch mal auf Kreta Skitouren gemacht habe?

Eng damit verbunden ist die Frage: Ist es das wert? Steht der Aufwand (= Emissionen) in einem „vernünftigen“ Verhältnis zum Erlebnis? Wobei Vernunft beim zutiefst emotionalen Bergsport schwierig zu gewichten ist… Die Relation zwischen Anreise und Aufenthaltsdauer hat sich mit immer schnelleren Verkehrsmitteln, wie dem Flugzeug, dahin verschoben, auch die Urlaubstage effizient durchzutakten und zu optimieren – bis die schönste Zeit des Jahres nicht mehr Erholung, sondern Stress mit sich bringt. Bei einer zweiwöchigen Kilimanjaro-Tour kann das ungesunde Belastung und Gefahr durch Höhenkrankheit bedeuten. Und eine verpasste Chance, den Urlaubsort, seine Geschichte und die Menschen, deren Leben er prägt, kennenzulernen.

Das Glück der Details

Will man das persönliche Reisen „nachhaltig“ realisieren, kann man an vielen kleinen Schräubchen drehen. Die Schweizer Nonprofit-Organisation fairunterwegs.org propagiert für das „Wie mach ich’s gut?“ eine GLÜCK-Formel mit fünf Punkten. Einiges klingt ähnlich wie Tipps für allgemeinen Konsum oder Ernährung – kein Zufall, denn „smart, einfach und bescheiden“ gehören immer zum Königsweg der Nachhaltigkeit. Die G-L-Ü-C-K-Formel steht für Gemächlich unterwegs sein, Lokales bevorzugen, Überraschungen zulassen, CO₂-Ausstoß senken und einen Korrekten Preis bezahlen (siehe Infografik).

Die Schweizer Nonprofit-Organisation fairunterwegs.org hat eine fünfteilige "G-L-Ü-C-K-Formel" für faires Reisen entwickelt. Grafik: fairunterwegs.org/Jannik Bruschi, Anpassung Sensit Communication GmbH

Die Siegel der Verantwortung

Hilfe zum nachhaltigen Reisen versprechen, wie in anderen Lebensbereichen, Siegel und Zertifikate – mit unterschiedlicher Verlässlichkeit. Der „Globale Rat für nachhaltigen Tourismus“ GSTC hat dafür Kriterien definiert, auf Webseiten wie tourismus-labelguide.org findet man Beispiele für besonders empfehlenswerte Auszeichnungen (z.B. tourcert.org, greensign.de, umweltzeichen.at, ecocamping.de, ibexfairstay.ch). Sie betreffen meist Hotels oder Veranstalter weltweit.

Wer ein Traumziel in der Ferne anpeilt, wird dafür meist einen professionellen Anbieter wählen – und kann diesen auf Nachhaltigkeitsaspekte hinterfragen. Oder man organisiert die Anreise privat und geht vor Ort mit einer einheimischen Trekking-Organisation, was zur lokalen Wertschöpfung beiträgt.

Die Logik der Wahl

Je nach dem „Warum?“ des Reisens findet man auch leicht Gutes in der Nähe. Ein erholsamer Urlaub im Mittelgebirge ist wahrscheinlicher als am Pragser Wildsee, Kultur kann man auch beim Schuhplattel-Abend erleben statt in der Stupa. Vom sportlichen Anspruch her müssen Ziele in den Alpen nicht den Weltbergen unterlegen sein, nur die Höhe fehlt halt.

Wer für das „Wohin?“ seines Alpen-Urlaubs eine nachhaltige Unterkunft im Tal sucht, kann auf den oben genannten Seiten suchen – oder in ein „Bergsteigerdorf“ (bergsteigerdoerfer.org) oder einen Ort der „Alpine Pearls“ (alpine-pearls.com) fahren. Bei Alpenvereinshütten helfen das AV-Umweltgütesiegel oder das Label „So schmecken die Berge“ dabei, besonders umwelt- und klimafreundliche Häuser für einen längeren Aufenthalt zu wählen.

Womit wir beim „Womit?“ wären, der Mobilität, dem größten Hinkefuß des Bergsports. Neben die öffentlichen Verkehrsmittel gesellen sich heute Mitfahrplattformen wie die vom DAV Summit Club entwickelte moobly.de, die vor kurzem an den Start gegangen ist. Dort können sich Bergsportler*innen für eine gemeinsame Anreise (und vielleicht auch Tour) vernetzen. Was mit Öffis möglich ist, belegen Aktivist*innen wie Michael Vitzthum oder die „ecopoint“-Idee, die auf jedem Niveau möglich ist: mit dem Bus ins Stubai, per Segelboot nach Grönland oder mit der Bahn nach Zentralasien – und ist nicht Göran Kropp schon 1996 von Stockholm nach Nepal geradelt und auf den Everest gestiegen?

Vor einigen Jahren sagte der heutige DAV-Präsident Roland Stierle, es gehöre zum Wesen des Alpinismus, auch mal nur für den Walkerpfeiler nach Chamonix zu fahren, wenn die Verhältnisse passen. Bergtouren können Lebensträume wahr machen. Doch zur Freiheit der Berge gehört untrennbar die Verantwortung. Wer mit seinem CO₂-Budget haushaltet, verzichtet eben auf anderes und ist sorgsam im Detail des „Wie“. Für die übrigen Emissionen bleibt die umstrittene Kompensation.

Beim Abwägen mag der Gedanke nutzen: Sich bewusst ein Highlight am Berg zu gönnen ist wie ein Glas Champagner oder ein Konzertbesuch. Suchtartig und getrieben von Tour zu Tour zu hetzen, das bringt nicht automatisch mehr Qualität.

Den sprichwörtlichen "Elefant im Raum" gibt's auch im Bergsport. Illustration: Elisabeth Zacher/Adobe Firefly

Der Elefant im Raum …

Ja, auch wir in der DAV-Redaktion reisen gern an unsere Traumbergziele und berichten darüber in DAV Panorama, ob print oder digital. So teilen wir einzigartige Erfahrungen mit einer Community, deren Herz für genau solche Erlebnisse schlägt. Auf der anderen Seite schaffen wir damit vielleicht auch erst Sehnsüchte für weiter entfernte Ziele. Als Bergsport- und Naturschutzverband befinden wir uns permanent in dem Spannungsfeld zwischen bergsteigerischen Ambitionen und der Notwendigkeit, die Umwelt zu schützen, um unsere Traumtouren in Zukunft überhaupt noch unternehmen zu können.

Intern diskutieren wir regelmäßig, welche Tour wir veröffentlichen und welche nicht. Die Argumente gegen eine Veröffentlichung liegen auf der Hand: Wer das Ziel nicht kennt, möchte dort auch nicht hin. Allerdings leben wir nicht in einer alpinen Kapsel, sondern teilen unsere Begeisterung mit Bergsportler*innen auf der ganzen Welt, von denen wir viel lernen können. Bergsport ist eben nicht nur Erlebnis, sondern auch Kultur. Und die können wir auch kennenlernen, ohne sie selbst zu erleben.

Trotzdem ist das eigene Erleben zentral und nicht aus dem Bergsport wegzudenken. Wir wollen den Fels unter unseren Fingern spüren und nicht nur davon lesen. In unseren Texten kommen deshalb auch immer wieder

  • die Faktoren der GLÜCK-Formel zur Sprache

  • werden regelmäßig die Öffi-Anreise, Mehrtagestouren statt Tagesausflüge

  • und das Eintauchen in die (Berg-)Welt vor Ort thematisiert.

So können wir unsere Leser*innen inspirieren, die GLÜCK-Formel selbst auszuprobieren, um eine neue, nachhaltige Normalität zu etablieren.

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