Dieser Ausspruch des österreichischen Schriftstellers Christoph Ransmayr im mittlerweile schon fast ikonischen SZ-Interview 2014 mit Reinhold Messner schwirrt mir immer wieder im Kopf herum, wenn ich zu Fuß oder mit dem Bike länger unterwegs bin. Wenn ich abends woanders ankomme, als ich am Morgen losgefahren bin. Auch wenn ich dabei nicht mein Leben aufs Spiel setze, so wirft dieses Unterwegssein doch ein anderes Licht auf die Begegnungen, Erlebnisse und Erfahrungen der Unternehmung. Diesen Gedanken hänge ich nach, während ich über Passau blicke und auf meine Mitfahrer*innen für die Trans Bayerwald warte – einer Etappentour quer durch den gesamten Bayerischen Wald. Einer davon ist Hanse, wie ich ein Genussbiker mit Hang zu naturnahen Trails. Noch einmal schweifen die Blicke über die Stadt, doch dann geht es endlich los.
Waldreich, grün und ruhig
Wir queren die Ilz, blicken auf deren Zusammenfluss mit Inn und Donau und folgen dem Verlauf letzterer. Hier können wir uns gemütlich einradeln, bevor wir in Obernzell in den Wald abbiegen. Dort wird es waldreicher, grüner und vor allem ruhiger. Auf dem Weg liegt das Graphitwerk Kropfmühl – eine Pause haben wir sowieso nötig und so erkunden wir das Schaubergwerk. Von außen wird der Bayerische Wald oft vor allem als Wald- und Tourismusregion wahrgenommen, doch gerade hier am südöstlichen Zipfel spielen Graphit- und Granitabbau eine wichtige Rolle. Eine, die auch die Ortsbilder und Bauweisen prägt. Das hier abgebaute Graphit findet sich, wie uns erzählt wird, sogar in den Bleistiften, die unserem Trans Bayerwald Starterpaket beiliegen.
Von Kropfmühl fahren wir weiter über noch sanfte und vor allem dicht bewaldete Hügel. Wir waren damals in den Entstehungsprozess der Routen involviert. Hanse für das Arberland und ich zuerst für den lokalen Verein in Deggendorf und im Verlauf als externer Berater. Gemeinsam mit einigen Bekannten und Wegbegleiter* innen aus diesem Prozess möchten wir Teile der Strecke wieder einmal gemeinsam fahren. Die Ersten treffen wir in Waldkirchen. Doch vorher wird mit dem Oberfrauenwald der erste richtig fordernde Anstieg der Tour bewältigt. Vom Aussichtsturm aus hat man einen unglaublichen Fernblick, und auf die Vereinsstrecke des Bayeride e.V. – der Radverein aus Hauzenberg hat hier in einem privaten Waldstück einen vielseitigen Mountainbike-Trail eingerichtet. Er ist außerdem aktiv in der Jugendarbeit und nutzt das Momentum, das auch die Etappentour hierhergebracht hat, um das MTB-Angebot zu erweitern. Wir lassen den Trail wegen der fortgeschrittenen Zeit heute links liegen und halten uns in Richtung Waldkirchen. Auch hier geht es auf abwechslungsreichen und schmalen Wegen hinab. Die Erlau, ein kleiner Wildbach, führt die letzten Meter in Richtung Ort. Hier treffen wir auf Bernhard Weishäupl – der Jugendwart des RSC Waldkirchen empfängt uns an deren Übungsgelände mit Pumptrack, Übungselementen und eigenem Trail. Auch ein Kletterturm und allerlei andere Geräte finden sich hier. Bernhard erzählt uns von den 120 Kindern und Jugendlichen, die sie betreuen, vom gerade vergangenen Jugendcamp und dass sie noch viel mehr interessierte Kinder haben, ihnen aber einfach die Trainer*innen ausgingen. Mona und Hanse diskutieren diese Inspiration auf unserem weiteren Weg und beschließen, gerade auch wegen ihrer eigenen Kinder, sich wieder verstärkt der Jugendarbeit zu widmen.
Reise in die Vergangenheit
Von Waldkirchen sehen wir bereits den Dreisessel – das nächste Ziel. Der ikonische Berg mit knapp über 1300 Metern ist vor allem durch seine Wollsack-Felsformationen bekannt. Auch die hier gemachten Höhenmeter fahren wir über schmale Wege hinab und erreichen am Fuß der ehemaligen Skipiste die Dreisesselalm. Dort wartet Berthold Rauch, einer der zahlreichen ehrenamtlichen Wegepaten auf der Trans Bayerwald. Er kontrolliert die Beschilderung und den Zustand der Strecke. Heute nimmt er uns aber auf eine Reise in die Vergangenheit mit. Er erzählt vom heiligen Wasser am Wallfahrtsort Kohlstattbrunn und dem verlassenen Dorf Leopoldsreut. Hier wurden einst die hochwertigsten Holzschindeln produziert, doch aufgrund seiner Lage auf 1100 Metern war es einfach zu karg und 1962 zogen die letzten Menschen weg. Auf dem späteren Weg durch das Dorf werfen wir in der stehengebliebenen Kirche noch einen Blick auf Dokumente aus der Geschichte dieses einstigen Säumerdorfes. Über Mauth erreichen wir den Nationalpark, besuchen das Tierfreigelände und bestaunen wieder einmal diesen wunderbar wilden Wald, der hier in den letzten 50 Jahren entstehen durfte.
Über Zwieslerwaldhaus geht es hinauf auf den Großen Arber, den höchsten Berg des Bayerischen Waldes. Er belohnt mit einer unglaublichen Fernsicht, aber auch vielen Menschen. So fahren wir weiter zur Schareben, einem kleinen Berggasthaus, und treffen dort Jürgen Völkl von den Bayerischen Staatsforsten. Auch er war damals an der Entwicklung der Strecke beteiligt und ist ein großer Unterstützer des Projekts. Für ihn, so erzählt er, geht es immer darum, die ganz verschiedenen Funktionen des Waldes sicherzustellen – einen Ausgleich zwischen Natur, Mensch und auch Waldwirtschaft zu schaffen. Im Gespräch, so ist er sich sicher, sollte das überall gelingen.
Über den Lamer Winkel geht es nun zu Füßen des Ossers in Richtung Furth im Wald. Links blicken wir auf Hohenbogen, rechts auf den Čerchov. Auf beiden befinden sich alte Abhöranlagen aus Zeiten des Kalten Krieges, Mahnmale unrühmlicher vergangener Zeiten. Halbzeit dann in Furth im Wald – diese feiern wir nicht mit einer Abkühlung, sondern heiß. Genauer gesagt mit dem Drachen des Further Drachenstichs, der in seiner Drachenhöhle besucht werden kann.
Traumstrecken zum Mountainbiken
Am nächsten Morgen starten wir auf die Südroute und erreichen bald das Schwarzachtal sowie die Thurauer Mühle. Eine alte Mühle, die seit einiger Zeit aufwändig restauriert wird. Auf dem Gelände sollen bald ein Biergarten und eine Wirtschaft, vor allem aber auch eine Infostelle des Naturparks entstehen. Der Ort könnte nicht besser gewählt sein. Die Schwarzach mäandert hier frei und bietet zahlreichen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum. Über Rötz erreichen wir Stamsried und schließlich Neubäu am See. Vom Ufer aus wandert der Blick über den See mit seinen zahlreichen Vogelarten und auf den dicht umschließenden Wald – ein wenig erinnert dieser Anblick an die Seen Schwedens. Und so weit weg scheinen die Granitwerke ganz im Südosten schon wieder zu sein. Nach einem kurzen Bad müssen wir weiter. Rechtzeitig erreichen wir die Burgruine Lobenstein. Zwar ist sie bereits seit 1633 zerstört, doch der Sonnenuntergang ist weiterhin von ihren Festen aus zu bewundern.
Unser nächstes Ziel ist Sankt Englmar. Auf dem Weg dorthin liegen wunderbare Trailabschnitte in einem einsamen Tal – eine Traumstrecke zum Mountainbiken. Auch in Sankt Englmar wartet am Predigtstuhl ein Trail auf uns, gebaut vom lokalen Mountainbikeverein Sportivo Sankt Englmar, der seit Jahren ein Jugendcamp veranstaltet. Am Hirschenstein blicken wir nun zum ersten Mal direkt auf die Donau und den Gäuboden rund um Straubing – eines der fruchtbarsten Gebiete Bayerns. Vom Hirschenstein geht es hinab ins Tal und hügelig weiter. Wir queren die B11, die von Deggendorf direkt in den Bayerischen Wald hineinführt und erklimmen die Bergkette, die sich mit Dreitannen-, Einöd-, Breitenauer Riegel und Geißkopf direkt hinter Deggendorf erhebt. Am Geißkopf reicht der Blick genau zum Arbermassiv und in den Nationalpark hinein. Hier wartet Deutschlands ältester Bikepark auf uns. Nach einer Fahrt über den Flow Country Trail treffen wir unten Diddie Schneider, den Chef des Bikeparks. Er erzählt von seinen Ausbauplänen für den Park und vor allem von der Errichtung eines Trailparks auf der anderen Seite. Dort soll ein kilometerlanges Trailnetzwerk entstehen – ganz ohne Lift und für alle. Damit will er das Angebot für Familien, Kinder und einfach alle, die Spaß in der Natur haben möchten, ausbauen. Über den Lallinger Winkel, den sogenannten Sonnenwald und Eging am See erreichen wir erneut Passau und sind vor allem eins: inspiriert. Die Trans Bayerwald sollte eine Strecke werden, die Menschen und Naturräume verbindet, die Erlebnisse schafft und dabei für alle zugänglich ist. Die dafür sorgen soll, dass die zahlreichen kleinen Pflänzchen im Mountainbike-Bereich im Bayerischen Wald sprießen. Für uns bleibt es eine Tour mit unglaublicher Vielfalt, die Erinnerungen schafft und Menschen zusammenbringt.