Alaska, Mitte April 2022. Anna Pfaff ist mit Priti Wright am Mount Huntington unterwegs. Die Frauen gehören zur Elite der US-amerikanischen Eiskletterinnen, sie haben sich die 1200 Meter hohe Harvard-Route vorgenommen. Es ist noch früh im Jahr. Sie werden die Ersten sein, die in dieser Saison den Gipfel des 3731 Meter hohen Berges erreichen. Drei Tage sind sie unterwegs.
Als Anna Pfaff zurück im Zelt Schuhe und Socken auszieht, sieht sie, dass ihr rechter Fuß stark angeschwollen ist, die Zehen merkwürdig weiß sind. Erfrierungen. Als Krankenschwester mit Erfahrung in der Notaufnahme weiß Anna Pfaff, was das bedeutet. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Trotz aller Bemühungen ist einen Monat später klar: Die Schädigungen sind so stark, dass die fünf Zehen am rechten Fuß amputiert werden müssen. Zu viel Gewebe ist abgestorben. Auch einen Teil der linken großen Zehe verliert sie. Zu diesem Zeitpunkt habe sie keine Ahnung gehabt, wie es mit dem Klettern weitergehen würde, sagt sie heute: „Ich konnte nicht einmal gehen, als ich nach einem Monat die erste Operation hatte.“
Physische und psychische Belastungen
Die körperlichen Einschränkungen sind die eine Seite der Medaille. Die andere: die psychischen Herausforderungen. Wie geht es weiter? Wohin führt der Weg? Werde ich jemals wieder das tun können, was mir früher so wichtig war? Und wie lang wird es dauern, bis ich wieder einigermaßen fit bin? Wie für viele andere, so ist es auch für Anna Pfaff ein mühsamer Weg zurück. Mit Physiotherapie kämpft sie sich Sicherheit und Stabilität in den Füßen. Sie fährt Rad für die Fitness. Und langsam findet sie auch wieder den Weg zurück zum Felsklettern und ins steile Eis. In den sozialen Medien lässt sie Interessierte teilhaben an ihren Fortschritten. Im Oktober 2023 dann der Höhepunkt: Anna Pfaff reist nach Nepal. Ihr Ziel ist der 6186 Meter hohe Kyajo Ri, ein sogenannter Trekking-Gipfel, für eine Bergsteigerin mit der Erfahrung einer Anna Pfaff ein Klacks. Wären da nicht die Erfrierungen, die sie anderthalb Jahre zuvor erlitten hatte. Auf dem Gipfel kommen Anna Pfaff die Tränen. „Ich genieße jeden Moment und nehme ihn nicht als selbstverständlich hin.“
Schnell wieder aktiv werden
Moderne Reha hat nichts mit den von Thomas Mann beschriebenen Kuren zu tun, die die Kranken vor hundert Jahren vor allem im Liegen absolvierten, die noch dazu lange dauerten und bei denen längst nicht klar war, wie sie enden würden. Reha hat heute das Ziel, die Menschen wieder fit zu machen für den Alltag und am besten so weit zu bringen, dass sie unter den veränderten Umständen wieder ihr früheres Leben führen können. Meist sind sie dafür nicht mehr für einige Wochen stationär in einer Reha-Klinik untergebracht. Die Erfahrung zeigt, dass ein paar Wochen intensive Reha oft nicht ausreicht und ambulante Therapien über einen längeren Zeitraum sogar die besseren Erfolge erzielen können.
Tipps zur Rehabilitation
Auch wenn es schwerfällt: geduldig sein und sich an ärztliche und physiotherapeutische Vorgaben halten.
In den ersten sechs Wochen ist in der Regel nur eine eingeschränkte Belastung erlaubt. Nach ärztlicher Belastungsfreigabe Hilfsmittel wie z.B. Unterarmgehstützen abtrainieren und die motorischen Grundeigenschaften wie Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer, Koordination und Schnelligkeit zunehmend mehr trainieren.
In der Regel sind viele typische Unfallverletzungen am Bewegungsapparat nach drei Monaten wieder trainingsstabil, kleine Bergtouren sollten dann möglich sein. Vorab jedoch unbedingt medizinisch abklären und Empfehlungen befolgen.
Die Belastung vor allem für die unteren Extremitäten und den Rücken sind beim Bergabgehen größer als bergauf. Erste Touren mit Seilbahnunterstützung können sinnvoll sein.
Tourenstöcke mitnehmen: Sie sind hilfreich zur Entlastung der unteren Extremitäten und sind als Sicherheitsreserve sinnvoll.
Gegebenenfalls Orthese oder Bandage als Übergang bis zur vollständigen Genesung nutzen. Eine dauerhafte Nutzung ist nur bei verbliebenen Instabilitäten oder bei extremer Belastung sinnvoll.
Bedarf auf professionelles Tapen zurückgreifen.
Tipps von von Ulrich Ernst, Therapieleiter des Rehabilitationszentrums der BG Unfallklinik Murnau
Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder fällt: Aktivität. Bei körperlichen Einschränkungen spielt deshalb Physiotherapie eine entscheidende Rolle im Genesungsprozess. Von Anfang an so aktiv wie möglich zu bleiben, sei der Schlüssel, um schnell wieder zu Kräften zu kommen, erklärt Ulrich Ernst, der therapeutische Leiter des Rehabilitationszentrums der BG Unfallklinik Murnau. Sein Rat: tägliches Eigentraining nach physiotherapeutischer Anleitung. „Nehmen Sie so schnell wie möglich die Aktivitäten des täglichen Lebens wieder auf und integrieren diese in Ihren Alltag. Finden Sie dabei die richtige Balance zwischen Aktivitäten und Ruhepausen. Achten Sie auf Ihre Ernährung, viel frisches Obst und Gemüse zu essen hilft dem Körper beider Regeneration.“ Und vor allem: „Denken Sie positiv und schauen Sie freudig in die Zukunft. Eine positive mentale Einstellung unterstützt die Heilung!“
Wie wichtig es ist, im Reha-Prozess immer nach vorn zu schauen und die Hoffnung nicht aufzugeben, weiß Thomas Lämmle. Elfmal stand er auf dem Gipfel eines Achttausenders. Dann stürzte er im April 2020 mit dem Gleitschirm ab. Diagnose Querschnittlähmung. Er galt als austherapiert, als er die Reha-Klinik im Rollstuhl verließ. Mit einem Leben im Rollstuhl wollte sich Thomas Lämmle jedoch nicht abfinden. Er kämpfte sich aus dem Rollstuhl zurück an den Berg. Das Ziel, das er dabei immer vor Augen hatte: der Kilimanjaro. Erzählte er das im Krankenhaus oder in der Reha, erntete er mitleidige Blicke. Denn niemand hatte mit seiner Willensstärke gerechnet. Thomas Lämmle erreichte sein Ziel: Zwei Jahre nach dem Unfall stand er – mit Gehhilfen – auf dem 5895 Meter hohen Uhuru Peak. Und selbst Skitouren unternimmt Thomas Lämmle mittlerweile wieder.
Fast auf den Tag genau ein Jahr nach einem schweren Verkehrsunfall in Bolivien stand Karl Gabl auf dem Gipfel des Elbrus. Über viele Tage konnte im Sommer 2017 das Ärzteteam in La Paz nicht sagen, ob der in Bergsteigerkreisen bekannte Meteorologe die schweren Verletzungen überleben würde, die er sich als Beifahrer bei einem Frontalzusammenstoß zugezogen hatte. Später machten zaghafte Erfolge, aber auch physische Rückschläge und psychische Tiefpunkte den Weg zurück an den Berg zu einem ständigen Auf und Ab. Immer wieder stellte Karl Gabl sich in der Vorbereitung auf den 5642 Meter hohen Elbrus die Frage, ob das gesteckte Ziel nicht doch viel zu groß war. Heute sagt er: „Der Elbrus hat mir gezeigt, dass ich wieder lebendig bin und auch in Zukunft noch am Berg unterwegs sein kann.“ mit dieser Gewissheit ist er sieben Jahre nach dem Unfall und, mittlerweile 77 Jahre alt, fast jeden Tag sportlich aktiv.