Trendsport Pistentourengehen
In Österreich wie in Deutschland werden die Skitourengeherinnen und Skitourengeher auf 500.000 geschätzt – konservativ gerechnet. Die Verkaufszahlen für Tourenski steigen seit Jahren mit zweistelligen Prozentwerten. Doch warum boomt der Trend gerade jetzt?
Die Sehnsucht nach Naturerlebnissen sowie das Gefühl körperlicher Anstrengung dürfen wohl als besonders starke Treiber gelten. Für viele, die das Skilaufen in Skigebieten gelernt haben, ist es ein Stück weit die logische Fortentwicklung des Sports, für den Weg bergan nun Felle statt Lifte zu nutzen – ohne dabei das Skigebiet zu verlassen. Hinzu kommen andere Faktoren:
Sport treiben, sich fit halten, frische Bergluft atmen. Dort skifahren, wo es guten Schnee gibt und keine Lawinen. Noch dazu ohne schweren Rucksack und ohne teuren Skipass. Nicht im Lift frieren, stattdessen etwas für die Kondition tun. Das schnelle Tourenvergnügen zwischendurch, nach Büroschluss mit Freunden ein Tourenabend. Denn ja, Skitourengehen auf Pisten ist auch Inbegriff eines modernen alpinen Lifestyles. Ein Lifestyle, der (vermeintlich) ohne allzu große lawinenkundliche Erfahrung auskommt.
Pistentourengeher einst und heute
Das Phänomen Pistentourengehen selbst ist gar nicht so neu: Für (klassische) Tourengeher waren Skipisten schon immer eine Option im Frühwinter. Wenn es endlich geschneit hat, im felsigen Tourengelände aber noch nichts geht, bieten Pisten den besseren Untergrund (heute häufig ergänzt durch Kunstschnee). Die ersten Kehren und Schwünge zog man auch früher auf Pisten – aber wenn der Skibetrieb begann, war Schluss damit. Bis etwa 1995 sah man so gut wie keine Tourengeher in geöffneten Skigebieten. Dann nahm der Trend Fahrt auf.
Im Jahr 2000 waren es schon so viele Pistentourengeher, dass der DAV mit dem Beitrag „Geisterfahrt oder Trendsport? – Tourengeher erobern ihr Terrain zurück“ in Panorama 1/2001 das Thema erstmals aufgriff. 2003 eskalierte dann der Streit zwischen Bahnbetreibern und Tourengehern am Jenner über dem Königssee; ein vom DAV initiierter Expertenkreis fand schließlich pragmatische Lösungen.
Klar war, dass es nur miteinander gehen könne. Man einigte sich auf die zehn DAV-Regeln für Skitouren auf Pisten sowie die einheitliche gelbschwarze Markierung für Aufstiegsrouten in Skigebieten. Zudem brauchte es individuelle Lösungen, zugeschnitten auf jedes Skigebiet, die mit viel Detailarbeit in oft stundenlangen Diskussionen gefunden wurden.
Vorreiter Deutscher Alpenverein
Da der DAV früh zum Vorreiter geworden war, orientierten sich auch die Verantwortlichen in den Nachbarländern am bayerischen Vorgehen. So gelten etwa für die Schweiz neun der zehn DAV-Regeln nahezu wortgleich.
Der Trend des Pistentourengehens entwickelt sich alpenweit rasant. Heute kann jedoch von Geisterfahrt keine Rede mehr sein, wenn Dutzende Tourengeher diszipliniert am Pistenrand aufsteigen. Längst haben sich die Pistenskifahrer an den Anblick gewöhnt. Rund 25.000 Tourengeher, akribisch gezählt, bevölkern inzwischen pro Winter das Classic-Skigebiet von Garmisch-Partenkirchen. Wenn man bedenkt, dass diese über die Saison hinweg rund 500.000 Pistenskifahrern aus der ganzen Welt begegnen, verwundert es, dass sich der Stress für alle in Grenzen hält. Die Probleme und Gefahren liegen zumeist woanders. Sie sollte man kennen – und sich als Teil der Berg-Community entsprechend verhalten.
Prognose: Mit weiter steigendem Interesse wird der Platz in den nächsten Jahren enger werden, es wird Konflikte zu schlichten und Herausforderungen zu meistern gelten.