Felsiger Drahtseilversicherter Weg vor rauer Berglandschaft
Es gibt nicht die eine Schlüsselstelle – nahezu der gesamte Weg auf den Piz Boè ist anspruchsvoll. Foto: Romy Robst
5 wanderbare Dreitausender in den Alpen

Dem Himmel so nah

Dreitausend Meter sind eine magische Grenze. Oft sind sie auch eine mentale Hürde, weil viele Bergwandernde meinen, do hohe Gipfel nur in Seilschaft und mit technischen Hilfsmitteln erreichen zu können. Dabei gibt es eine Vielzahl an "leichten", wanderbaren Dreitausendern, die Ambitionierte auch ohne Seil und Pickel meistern können. Eine Auswahl besonders schöner Aussichtsgipfel.

Das Glücksgefühl, nach einem anstrengenden Aufstieg den Gipfel zu erreichen, mischt sich oft mit Erschöpfung und der Faszination, so erhaben über umliegende Bergketten schauen zu dürfen. Dreitausender üben eine besondere Faszination aus. Natürlich, auch kleinere Gipfel können eine besondere Magie entfalten. Nicht von der Hand zu weisen ist aber: Je höher man steigt, desto beachtlicher sind Aussicht und Gefühl.

Um in den Genuss des Dreitausender-Gefühls zu kommen, braucht es nicht zwangsläufig Pickel, Steigeisen & Co. In den Alpen gibt es eine stattliche Anzahl an Dreitausendern, die sich wandernd erreichen lassen, heißt: ohne Gletscherkontakt und Kletterausrüstung. Das bedeutet jedoch nicht, dass es ein Spaziergang ist, das Gipfelkreuz zu erreichen. Im Gegenteil: Die Besteigung hochalpiner Berge ist immer eine anspruchsvolle Bergtour, die neben Kondition auch alpine Erfahrung erfordert. Kenntnisse über Wetter und alpine Gefahren sind zwingend notwendig, denn Wetterumschwünge bringen einen hier schnell in brenzliche Situationen. Nicht selten bedecken im Frühsommer auch steile Altschneefelder Grate und Flanken und dann sind eben doch Grödel nötig, um sicher hinauf- und wieder runterzukommen.

Felsige Landschaften und grandiose Ausblicke verspricht die Besteigung von Dreitausendern – wie hier am Schrankogel. Foto: Romy Robst

An stabilen Sommertagen sind Touren an diesen Bergriesen aber ein einzigartiges Erlebnis, die Anstiege sind herausfordernd und kräftezehrend. Oben angekommen, fällt die Anstrengung von einem ab und ein überwältigendes Gefühl der Freude macht sich breit. Und ja, auch wenn es kitschig klingen mag, irgendwie scheint hier oben die Welt still zu stehen.

Eine Nacht auf der Wildkarspitze, 3173 m

Eine Nacht auf über dreitausend Metern zu verbringen – davon träumen viele. In den Stubaier Alpen, auf der Wildkarspitze, wird dieser Traum wahr. Die Hochstubaihütte bietet dafür ausreichend Komfort. Die Schutzhütte zählt zu den höchstgelegenen der Ostalpen und besticht durch einen spektakulären Gletscherblick sowie atemberaubende Sonnenuntergänge. Bei klarem Wetter reicht die Sicht von der Wildspitze bis zu den Dolomiten – ein Panorama, das seinesgleichen sucht.

Die Hochstubaihütte liegt am Gipfel der Wildkarspitze. Foto: Romy Robst

Der Aufstieg zur Hütte beginnt relativ gemütlich auf einem einfachen Wanderweg. Doch je höher man steigt, desto anspruchsvoller wird der Weg. Schließlich führt der Pfad durch schwieriges, blockiges Gelände. Bevor es jedoch richtig hochalpin wird, passiert man den malerischen Laubkarsee und weitere kleinere Seen, während die umliegende Landschaft immer schroffer wird. Nach dem dritten größeren Bergsee, der in einem beeindruckenden Kessel liegt, erblickt man die Hochstubaihütte, die majestätisch auf der Wildkarspitze thront. Wer mag, kann von der Hütte noch auf den benachbarten Nebelkogel, 3211 m, steigen und sich dabei vor Augen halten, dass es noch nicht allzu lange her ist, dass man beide Gipfel höhehaltend über Gletscher erreichen konnte.

Der lange Abstieg zurück ins Windachtal führt über die „Himmelsleiter“ – einen neu angelegten, luftigen Steig. Stufe für Stufe geht es die steile Felswand hinab, was einiges an Trittsicherheit erfordert. Zu Beginn unterstützen Drahtseile beim anspruchsvollen Abstieg. Die Wildkarspitze in den Stubaier Alpen bietet nicht nur eine beeindruckende Aussicht und die Möglichkeit, eine Nacht auf über dreitausend Metern zu verbringen, sondern auch ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches Wandererlebnis.

Heilige Madonna! Auf den Piz Boè, 3153 m

Was den Reiz einer Bergtour jenseits der Dreitausend-Meter-Marke ausmacht? Die körperliche Anstrengung, die mit einer grandiosen Sicht belohnt wird? Das Naturerlebnis? Die Begegnungen? Sicher auch das Gefühl der Demut. Dieses Gefühl trifft die betende – oder dankende – Madonna auf dem Gipfel des Piz Boè wohl ziemlich gut. Erst recht, wenn hinter ihr gerade noch ein paar milde Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke brechen, bevor ein Gewitter heranzieht. Gut, dass direkt auf dem Gipfel eine kleine bewirtschaftete Berghütte zum Unterschlupf steht.

Dankbar wie die Madonna auf dem Gipfel des Piz Boè – so fühlt man sich nach erfolgreicher Besteigung desselbigen. Foto: Romy Robst

Den meisten, die es einmal in die Dolomiten verschlagen hat, ist der Sellastock mit seinem markanten, pyramidenförmigen Hauptgipfel ein Begriff. Wer ihn einmal aus der Ferne gesehen hat, wird den Anblick nicht mehr vergessen. Dieses riesige Massiv mit seinen steil abfallenden Flanken wirkt unbezwingbar. Oben thront wie eine Zipfelmütze der Piz Boè. Besonders von Süden aus betrachtet, scheint es kaum vorstellbar, dass man dieses riesige Massiv wandernd durchqueren kann. Doch es ist möglich – wenn auch kräftezehrend. Faszinierend aber auch.

Perfektes Dolomiten-Ambiente: Am Pisciadù-See kommt man beim Abstieg vom Piz Boè vorbei. Foto: Romy Robst

Nirgends erscheint die Gebirgswelt so beeindruckend wie auf der Sella jenseits der Vegetationsgrenze. Glatt geschliffene Felsplatten und schiefe Dolomiten-Türme wirken wie eine Mondlandschaft. Klein wie eine Ameise schiebt man sich hinauf: staunend, ehrfürchtig und immer auch dankbar, genau dort sein zu dürfen.

Zum schönsten Ausguck auf Ortler und Königsspitze: Madritschspitze, 3265 m

Ein leichter Dreitausender im Martelltal, der mit Einsamkeit und einem einzigartigen Blick zu den höchsten Bergen der Ortlergruppe und Südtirols auftrumpft – wer kann da schon widerstehen? Die Madritschspitze gehört zu den leichtesten Dreitausendern in Südtirol und ist dennoch ein nicht überlaufener Aussichtsberg, der ein tolles Panorama bereithält. Das Martelltal liegt inmitten des Stilfser Joch Nationalparks und gilt als eines der schönsten Seitentäler des Vinschgaus.

Die letzten Meter zum Gipfel. Die tierische Begleitung wartet schon. Foto: Romy Robst

Dabei überzeugt die Wanderung vor allem durch ihre beeindruckenden Gletscherausblicke, beispielsweise auf die markanten Zufallspitzen mit ihren noch einigermaßen weiten Gletscherflächen. Am Ende des großen Gletscherfeldes liegt die Suldenspitze. Überall rauschen Gletscherbäche hinab und in der Regel kreuzen lediglich ein paar niedliche Bergschafe den Weg. In den meisten Karten ist der Weg hinauf zur Aussichtsloge übrigens nicht eingezeichnet, der Steig hinauf auf den 3265 Meter hohen Gipfel ist aber mittlerweile vollständig markiert. Für die Aussicht sollte genügend Zeit eingeplant werden, denn mit Ortler, Zebru und Königsspitze hat man einen phänomenalen Blick auf die bekanntesten Berge Südtirols – sie sind nur einen Katzensprung entfernt.

Den Gletschern so nah - Hofmannspitze, 3113 m

Direkt hinter der Grenze zwischen Österreich und Südtirol lockt mit der Hofmannspitze ein beeindruckender und dennoch sehr einfacher Dreitausender. Landschaftlich ist der Aufstieg eine Augenweide und gleicht einer Entdeckungsreise durch eine vielseitige alpine Landschaft.

Wollgrasfelder, Aussicht und ein kühler Bergsee: Schöner kann man kaum Pause machen. Foto: Romy Robst

Zu Beginn führt der Aufstiegsweg durch die sattgrünen Almflächen rund um die Timmelsalm. Tiefe Felseinschnitte mit herabstürzenden Wasserfällen bieten beeindruckende Anblicke. Der malerische Schwarzsee lädt bei gutem Wetter zu einem Bad ein und eine Etage höher treffen Bergfexe auf die weit verzweigten Flussarme des Quellgebiets der Passer. Sie bilden eine erstaunlich liebliche Landschaft und umsäumt von Wollgras machen sie diese Wanderung landschaftlich extrem lohnenswert. Oben am Gipfel wird es schroff und karg und es bietet sich ein faszinierender Blick in eine Welt aus Eis.

Ausblick von der Hofmannspitze auf den Übeltalferner und das Becherhaus. Foto: Romy Robst

Der Übeltalferner, größter Gletscher der Stubaier Alpen und Südtirols, wirkt tatsächlich noch riesig. Das nahegelegene Becherhaus, mit 3195 Metern die höchstgelegene Schutzhütte Südtirols, ist zum Greifen nah. Die Hofmannspitze gilt als einer der schönsten Gipfel der Region, auch wenn er auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkt.

Was für ein Kollos! Schrankogel, 3497 m

Der Schrankogel in den Stubaier Alpen erhebt sich mit fast 3500 Metern majestätisch über die umliegenden Gipfel und ist ein markanter Felskoloss in Tirols Dreitausender-Paradies. Was die Anforderungen betrifft, sticht er mit seiner T5-Bewertung etwas unter den anderen in dieser Aufzählung hervor – Kondition und alpine Erfahrung sind für die Besteigung definitiv nötig! Der pyramidenartig geformte Aussichtsgipfel gehört geografisch betrachtet zu den Stubaier Alpen und ist mit seinen 3497 Metern nur geringfügig niedriger als der höchste Berg der Region, das Zuckerhütl (3507 m). Österreichweit belegt er unter den wanderbaren Dreitausendern ebenfalls den zweiten Platz, übertroffen nur vom Vorderen Brochkogel mit 3565 Metern. Kurzum: Der Schrankogel ist einer der höchsten und eindrucksvollsten Berge, die man ohne Gletscherausrüstung erreichen kann. Sehr gute Kondition, ein bisschen Mut und Erfahrung für Kletterstellen bis zum 1. Grad sind aber dennoch erforderlich. An einem klaren Tag bietet sich vom Gipfel ein spektakuläres Panorama auf zahlreiche namhafte Berge: Großglockner, Großvenediger, Wildspitze, Marmolada, Watzmann, Hochkönig, Dachstein und Ortler sind nur einige der sichtbaren Gipfel.

Trittsicherheit ist gefordert beim Abstieg vom Schrankogel. Foto: Romy Robst

Früher war der Schrankogel noch ein Eisberg, dessen Besteigung nur mit Gletscherausrüstung möglich war. Heute ist vom Eis nicht mehr viel übrig. Dadurch ist die Besteigung erheblich einfacher geworden. Allerdings macht schmelzender Permafrost eine Überschreitung des Schrankogels aufgrund erhöhter Steinschlaggefahr riskant. Deshalb sollte von einer Begehung über den Ostgrat abgesehen und stattdessen der Auf- und Abstieg über den Südwestgrat gewählt werden. Trotz dieser Einschränkungen bleibt der Schrankogel ein lohnendes Ziel.

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