Höhenangst und Bergsport passen nicht gut zusammen. Dabei muss es nicht immer der ausgesetzte Grat auf 3000 Meter sein, selbst auf moderaten Wanderungen können Betroffene mit ihrer Phobie konfrontiert werden. Wenige Meter reichen oft schon, um Beklemmungen auszulösen.
Dabei steckt Höhenangst im Kopf: Sie ist in vielen Fällen ein Begleitphänomen und tritt zusammen mit anderen Leiden auf, wie beispielsweise Beziehungsproblemen, Stress im Beruf oder gesellschaftlichem Druck. Das erklärt, warum es auch routinierte Bergsteiger*innen treffen kann und nicht nur Gipfel-Neulinge. Akrophobie, wie die Höhenangst in der Fachsprache heißt, kommt gar nicht so selten vor. Jede*r Fünfte leidet unter Angstzuständen im Zusammenhang mit Höhe, manche fühlen sich schon auf Brücken oder Balkonen unwohl.
Übrigens ist wirkliche Höhenangst etwas anderes als der sogenannte Höhenschwindel. Höhenschwindel ist ein normales Phänomen, das durch eine größere Entfernung der Augen zum nächsten Fixpunkt bedingt ist. Daran kann man sich aber gewöhnen - Schwindelfreiheit ist also ein Stück weit erlernbar.
Schwindel während der Tour
Wer zum Beispiel auf einem ausgesetzten Grat mit Schwindelgefühlen zu kämpfen hat, sollte sich nicht weiterzwingen. Gewaltsam gegen das Problem anzukämpfen, macht es meist nur schlimmer. Besser ist eine Desensibilisierung, also eine Konfrontation mit der Phobie in kleinen Schritten und mit einer moderaten Steigerung der Dosis. Der Körper gewöhnt sich an den Reiz und „lernt“, dass er nicht wirklich in Gefahr schwebt.
Angst vor der Angst
Zur Höhenangst kommt bei vielen Bergsteiger*innen noch ein weiteres Problem: die Angst vor der Angst. Besonders erfahrene Menschen kann diese Meta-Angst blockieren und das Problem verschlimmern. Die wenigsten möchten ihrer Gruppe oder Seilschaft erklären, dass sie nach vielen Jahren und Gipfeln jetzt nur noch Spaziergänge im Tal machen können.
Akute Maßnahmen
Eine Angstattacke auf einem Gipfel ist unangenehm und kann gefährlich werden. Manche trauen sich nicht mehr, abzusteigen. Es gibt einige akute Maßnahmen, um eine solche Situation zu entschärfen:
Händen und Füßen Halt verschaffen, möglichst sitzen
ein Gespräch kann helfen und beruhigen
keine Beruhigungsmittel im Gebirge (Absturzgefahr durch verzögerte Wahrnehmung!)
als psychologische Stütze kann ein kurzes Sicherungsseil dienen
in Übungssituationen möglichst solange exponiert bleiben, bis die Angst spürbar abflaut und ein Sicherheitsgefühl eintritt
Langfristige Besserung
Tritt das Problem häufiger auf, sollte man ihm nachgehen. Folgende Maßnahmen können mittelfristig zu einer Verbesserung führen.
Suche nach ungelösten Konflikten im Leben
Training an ausgesetzten Stellen, Brücken, möglichst mit Vertrauensperson
Verhaltensrepertoire zur Entspannung aufbauen (Atem-Kontroll-Übungen, Muskelentspannung)
Intensive mentale Vorbereitung auf Touren
Medizinischen und psychologischen Rat suchen
Für alle, die mit Höhenangst zu kämpfen haben, gibt es noch eine gute Nachricht. Tendenziell nimmt Akrophobie mit zunehmendem Alter ab, auch ohne Behandlung.
Hier gibt es weitere Infos sowie Tipps zur Überwindung der Höhenangst.
BR-Podcast Bergfreundinnen
Sport- und Mentalcoachin Heike von Oettingen und Jan Mersch, Bergführer und Psychologe, geben im BR-Podcast Tipps, wie ihr mit eurer Angst am Berg umgehen könnt.
Die Bergfreundinnen befassen sich immer vier Folgen lang mit einem Thema und ermöglichen dadurch verschiedene Perspektiven. Alle Folgen des Podcasts gibt es im BR-Podcastcenter.