Frau steigt in Felsgelände bergauf
Auch wenn der Zyklus eine sehr individuelle Sache ist: Einige Belege zum möglichen Einfluss auf sportliche Leistungsfähigkeit und Verletzungsanfälligkeit gibt es. Foto: Christian Pfanzelt
Weiblicher Zyklus und Sport

Mehr als "Hormone"

Dass manche Tage im Leben einer Frau anders sind, ist klar. Inwieweit der weibliche Zyklus beim Sport Einfluss auf Leistung und sogar das Verletzungsrisiko haben kann, rückt dagegen erst in letzter Zeit in den Fokus der Wissenschaft. Und liefert Erkenntnisse, die nicht nur für Frauen aufschlussreich sein können.

Vor zwei Jahren hatte sich Carmen Bolkart, ehrenamtliche Trainerin C Breitensport für den DAV Augsburg und Female Fitness Performance Coach, eine neue Sportuhr zugelegt. Und dabei festgestellt, dass sie damit den Zyklus tracken, Symptome erfassen und sogar Tipps erhalten kann, die das Wohlbefinden steigern sollen. Hatte sie diese Trackingmöglichkeit anfangs noch ignoriert, weil sie keinen Mehrwert darin sah, wuchs schließlich doch das Interesse an dieser Zusatzfunktion.
Darin bestärkt hatten sie eine Fernsehdokumentation, mehrere Bücher und Podcasts (u.a. BR-Podcast „Bergfreundinnen“, verschiedene Formate ARD Mediathek) zum Thema. Und das Ergebnis? Einige echte Aha-Momente: „Unter anderem stellte ich fest, dass ich direkt im Anschluss an meine Periode meist mehr Energie habe und mir die Laufrunde leichter fällt. Wobei die Datenlage noch recht dünn und das Thema generell natürlich sehr individuell ist.“

„Die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit sind von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. "
- Prof. Dr. Kirsten Legerlotz, Humboldt-Universität Berlin

Das bestätigt auch Prof. Dr. Kirsten Legerlotz, die Leiterin der Arbeitsgruppe Movement Biomechanics am Institut für Sportwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. „Die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit sind von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. Umfragen bei Leistungssportlerinnen haben dennoch ergeben, dass etwa zwei Drittel der Befragten zumindest gelegentlich negative Einflüsse des Menstruationszyklus subjektiv wahrnehmen. Dabei können insbesondere Symptome des prämenstruellen Syndroms (PMS) oder Menstruationsbeschwerden die Leistungsfähigkeit und auch die Trainingsqualität beeinflussen. Negative Einflüsse werden insbesondere kurz vor Einsetzen der Regelblutung und während der ersten beiden Tage nach Einsetzen wahrgenommen.“

Die Ausdauer beim Sport ist nicht jeden Tag gleich hoch - bei Frauen kann das auch am Zyklus liegen. Foto: Christian Pfanzelt

Erkenntnisse, die nahe liegen, schließlich sind vielen Frauen Symptome wie Krämpfe im Unterleib, Spannungsgefühle oder auch Stimmungsschwankungen in diesem Zeitraum nicht ganz unbekannt. Doch lassen sich umgekehrt auch positive Effekte aus dem Zyklus ziehen? Durchaus, bestätigt Kirsten Legerlotz: „Positive Einflüsse werden in der Zyklusmitte, um den Eisprung herum wahrgenommen. Wenn ich mir also etwas Anstrengendes im Training vornehme, dann am besten in dieser Phase.“

Zyklus: Daten und Fakten

  • Der weibliche Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Menstruation (dauert 5-7 Tage) und endet mit dem letzten Tag vor der nächsten Blutung.

  • Auch wenn die Länge eines Zyklus häufig mit 28 Tagen angegeben wird, eine Spanne von 21-35 Tagen wird als normal angesehen.

  • Der Zyklus kann schwanken – abhängig von Hormonhaushalt, Ernährung, Stress, überdurchschnittlich viel Sport oder auch Erkrankungen.

  • In der ersten Zyklusphase (Follikelphase, endet mit dem Eisprung) steigt der Östrogenspiegel an, in der zweiten Zyklushälfte (Lutealphase, Phase zwischen Eisprung und Periode) ist das Hormon Progesteron dominant.

  • Hormonelle Verhütung verhindert den natürlichen Zyklus und schwächt die Leistungsschwankungen wie auch die Beschwerden ab. Nachteil und Risiken: Auch die positiven Effekte des natürlichen Zyklus werden abgestellt, dazu können teils gravierende Nebenwirkungen kommen.

  • Ein hohes Trainingspensum auf Leistungssportniveau ohne angepasste Energiezufuhr kann zum Ausbleiben des normalen Zyklus führen.

Mögliche Zusammenhänge zwischen Zyklus und längerer Ausdauerbelastung

Prof. Dr. Petra Platen von der Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum forscht seit rund dreißig Jahren zum Thema weiblicher Zyklus und akuter Leistungsfähigkeit bzw. Trainierbarkeit. Sie hat vorliegende Studien aus dem Spitzensportbereich ausgewertet und kommt zum Schluss, dass es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen dem Menstruationszyklus und einigen akuten leistungsrelevanten Größen wie Ausdauer oder Kraft, mentaler Entscheidungsfähigkeit oder Wettkampfbereitschaft gibt. Bei längeren Ausdauerbelastungen kann sich beispielsweise der Tag des Zyklus unter bestimmten Bedingungen auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Diese nimmt laut einiger Studien bei längeren Belastungen unter heißen und feuchten Umgebungsbedingungen in der zweiten Zyklusphase (Lutealphase) ab – in der Phase mit ohnehin leicht erhöhter Körpertemperatur. Eine Studie mit Bundesliga-Fußballerinnen konnte eine signifikant niedrigere maximale Ausdauerleistung in der Lutealphase gegenüber der ersten Zyklushälfte (Follikelphase) aufzeigen; keine zyklusabhängigen Effekte wurden dagegen bei der Sprint- oder Sprungleistung festgestellt.

Keine allgemeinverbindlichen Trainingsvorgaben

Studien zu psychischen Leistungsmerkmalen haben gezeigt, dass Wettkampfwille und Trainingsmotivation um den Eisprung herum am höchsten sind – ein Zeitpunkt, wo auch der Testosteronspiegel am höchsten ist. Wobei der Zusammenhang zwischen Testosteronkonzentration und Wettkampfbereitschaft bei Hochleistungssportlerinnen höher ist als bei nicht-wettkampforientierten Sportlerinnen.

Allerdings gilt auch: Aus diesen Erkenntnissen lassen sich keine allgemeinverbindlichen Vorgaben für sportliches Training ableiten. „Zyklus wie Leistungsfähigkeit sind zu individuell, um allgemeine Leitlinien abzuleiten“, erklärt Petra Platen. „Es braucht noch viel mehr Detailkenntnisse über diese Zusammenhänge. Es gibt unzählige Untersuchungen zum Thema Laktat unter körperlicher Belastung, aber bislang nur wenige gute Studien zu den Aspekten Menstruationszyklus und Effekte auf Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit. Zudem variieren sie stark in ihrer jeweils angewandten Methodik.“

Zyklustracking

  • Länge des Zyklus und der Regelblutung regelmäßig notieren

  • Temperatur – immer zur selben Tageszeit – messen, um Zeitpunkt des Eisprungs festzustellen (Eisprung und die Tage danach: Körpertemperatur nach dem Eisprung bis kurz vor Beginn der nächsten Regelblutung ca. 0,5 Grad höher)

  • Symptome während der Zyklusphasen notieren (subjektive Belastbarkeit, Regenerationsfähigkeit, Stimmung/Motivation) und ggf. Trainingsumfang und -intensität entsprechend anpassen

  • Daten und Werte über einen längeren Zeitraum (mindestens zwei Zyklen) erfassen

Zyklus und Verletzungen

Ebenfalls noch nicht vollständig geklärt, aber ganz gut belegt ist ein zweiter Aspekt in Sachen Zyklus und Sport: das Verletzungsrisiko. „Risse des vorderen Kreuzbandes treten in der ersten Zyklushälfte signifikant häufiger als in der zweiten Zyklushälfte auf. Warum das so ist, ist nicht endgültig geklärt“, erläutert Kirsten Legerlotz von der Humboldt-Universität. Vermutungen legen nahe, dass Veränderungen im Hormonspiegel zu Veränderung des Verletzungsrisikos führen können – auch, was das eigene Verhalten betrifft. „Verhaltensexperimente haben gezeigt, dass Frauen sich um die Zyklusmitte herum risikoreicher verhalten, was ebenfalls das Verletzungsrisiko beeinflussen kann“, so Legerlotz weiter.

"Risse des vorderen Kreuzbandes treten in der ersten Zyklushälfte signifikant häufiger als in der zweiten Zyklushälfte auf."
- Prof. Dr. Kirsten Legerlotz

Für die Bergsportlerin Carmen Bolkart bedeutet das in der Praxis, am Berg die Faktoren Wetter- und Tourenverhältnisse, Gelände und Mensch zu berücksichtigen. Im Faktor Mensch darf der Zyklus gerne seine Berücksichtigung finden. Auf Tour wie im Training. „Grundsätzlich kommen Bergbedingungen vor Zyklusphase, aber dennoch kann ich schauen, in welcher Phase ich mich befinde und entsprechend achtsam im Rahmen des Risiko- (und Spaß-) Managements auf Tour gehen. Mit dieser Herangehensweise war auch die Besteigung meines ersten Fünftausenders in der Lutealphase und die Besteigung eines Sechstausenders am zweiten Tag meiner Periode kein Problem. Mein Fazit: Lebe mit deinem Zyklus und sehe ihn nicht als Problem!“

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