Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz
Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz Foto: DAV/Moritz Attenberger
50 Jahre Vaude

Ein starker Partner

2024 feiert Vaude sein rundes Jubiläum. Seit mehr als zwanzig Jahren unterstützt der Tettnanger Outdoor-Hersteller als offizieller Ausrüster den Alpenverein und setzt sich damit für einen verantwortungsvollen Bergsport ein. Im Gespräch mit der Geschäftsführerin Antje von Dewitz blicken wir zurück auf die Vaude-Geschichte und nach vorn in Sachen nachhaltige Ausrüstung und Umweltschutz.

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Rucksäcke waren die ersten Produkte, die Ihr Vater und Firmengründer Albrecht von Dewitz unter der Marke Vaude entwickelt hat. Wo liegen die größten Unterschiede zwischen Modellen von damals und heute?

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Schon in den 1980er Jahren hatten wird das modulare „Tergoflex“-Tragesystem, mit dem man den Rucksack an verschiedene Körpergrößen anpassen konnte. Du konntest dich außerdem für ein Tragesystem entscheiden und dann verschiedene Packsackgrößen und Ausstattungsvarianten dazu wählen. Aus heutiger Sicht ein super moderner, modularer Ansatz. Aber ganz klar: Unsere Rucksäcke heute wiegen ein Drittel weniger, sind komfortabler und noch ergonomischer.

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Liegen Ihnen die Rucksäcke besonders am Herzen? Am Berg sind sie ja ein entscheidendes Ausrüstungsstück.

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Rucksäcke sind schon einer meiner persönlichen Favoriten, allein wegen der Historie. Und auch wegen meiner persönlichen Leidenschaft Wandern. Mein Rucksack ist der „Asymmetric“, mit ihm war ich 2022 drei Monate quer durch die Alpen auf der GTA (Grande Traversata delle Alpi) unterwegs.

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Der Outdoor-Trend boomt weiterhin, gleichzeitig zeigt sich die Branche sehr verhalten.

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Ja, ganz besonders in der Bikebranche, aber auch im Outdoorbereich generell ist es aufgrund von Kaufzurückhaltung und mangelnder Frequenz in den Städten gerade nicht einfach. Allein in den letzten Monaten ist eine Reihe unserer guten Kunden insolvent gegangen. Das betrifft den ganzen Markt. Doch wir rechnen damit, dass die Nachfrage wieder anzieht, da Wandern und Bike nach wie vor zu den Mega-Trends zählen. Denn gleichzeitig sind wir in Zeiten, wo Outdoor-Aktivitäten für viele Menschen noch wichtiger werden. Wir haben das immer wieder erlebt in den letzten Jahrzehnten: Wenn es Krisen wie z.B. eine Wirtschaftskrise gab, dann sind die Leute noch stärker in die Natur gegangen. Auch während der Corona-Zeit ist unsere Branche enorm gewachsen, da das Bedürfnis nach Bewegung in der Natur unglaublich stark war.

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Ein Unternehmen muss am Ende des Tages Umsatz machen. Wirtschaftlicher Erfolg und Nachhaltigkeit: Geht das zusammen?

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Wenn du als Unternehmen ganzheitlich Verantwortung übernehmen willst, dann ist das in unserem Wirtschaftssystem eine freiwillige Entscheidung. Dadurch entstehen uns Kosten, die andere Unternehmen nicht haben, weil sie diese in Form von Folgeschäden auf die Gesellschaft abgewälzt werden. Das ist doch krass: Wir stehen vor dem planetaren Burnout und immer noch ist es leichter, keine Verantwortung zu übernehmen. Auf der anderen Seite hat uns genau dieses Engagement in den letzten zehn, fünfzehn Jahren enorm geholfen, eine starke und glaubwürdige Marke zu werden. Wenn du nachhaltig wirtschaftest, stellst du sich diesen ganzen Herausforderungen proaktiv. Du schaust nicht weg, sondern schaust überall hin und sagst: Ja, es gibt Probleme, an denen wir als Textilbranche beteiligt sind, aber wir schaffen Lösungen. Und genau das macht ein Unternehmen wie uns stark. Es schafft auch gute und starke Partnerschaften, eine ungeheure Innovationskraft und enorm viel Antrieb – im Innern des Unternehmens aber auch extern.

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Mit „Green Shape“ hat Vaude 2010 einen eigenen Standard für umweltfreundliche Outdoorkleidung entwickelt, obwohl es bereits diverse Labels gibt. Warum?

Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz Antje von Dewitz

„Green Shape“ ist eine Art Meta-Label, das auf den höchsten und strengsten unabhängigen Materialstandards beruht und darüber hinaus auch Aspekte wie Reparatur oder Recycling berücksichtigt. Wir gehen damit eine nachhaltige Transformation und nicht nur ein einzelnes Produkt an.

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Nachhaltigkeit und Funktionalität unter einen Hut zu bringen, ist sicher nicht einfach.

Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz Antje von Dewitz

Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Als wir vor fünfzehn Jahren diesen Weg begonnen haben, hat uns das zunächst alle überfordert. Heute sehen wir, dass das ein riesiger Innovationstreiber ist: das Zusammenspiel von Produktentwicklung, Qualitätsmanagement, branchenübergreifenden Forschungspartnern, die sich gegenseitig befruchten und voranbringen. Das steckt an. Und begeistert mich! Nachhaltigkeit ist Management von Zielkonflikten. Der Glaubenssatz in vielen Köpfen ist ja: Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sind nicht vereinbar! Funktion und Nachhaltigkeit sind nicht vereinbar. Dann ist die Gefahr groß, dass man schon am Anfang stehenbleibt und sagt, das kann man nicht machen. Aber wenn du die Herausforderung annimmst, dich auf den Weg machst und siehst, wie neue Lösungen entstehen – das ist eine echte Triebfeder für Innovationskraft.

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Ihr engagiert euch seit vielen Jahren dafür, eure CO2-Emissionen systematisch zu reduzieren. Wie geht ihr dabei konkret vor, was habt ihr bereits erreicht und welche neuen Ziele verfolgt ihr?

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Am Standort in Tettnang erheben wir mit dem Umwelt-Audit EMAS seit 2012 alle Verbräuche in Emissionen gerechnet und reduzieren diese anhand ehrgeiziger Klimaziele immer weiter. Seit 2019 haben wir eine weltweite Klimabilanz und auch hier erfassen und reduzieren unsere CO2-Emissionen mit Hilfe unserer wissenschaftsbasierten Klimastrategie systematisch. 2022 haben wir es geschafft, dass unser Wachstum erstmals von den Emissionen entkoppelt war. Und mehr noch: Bis 2023 sind wir ausgehend vom Basisjahr 2019 beim Umsatz um 32 Prozent gewachsen, während unsere Emissionen um 30 Prozent gesunken sind! Erreicht haben wir dieses tolle Ergebnis durch die Umstellung auf recycelte und erneuerbare Materialien. Etwa neunzig Prozent unserer Produkte bestehen mittlerweile größtenteils daraus. Und gleichzeitig engagieren wir uns dafür, dass unsere weltweiten Produzenten auf emissionsärmere bzw. erneuerbare Energien und Energieeffizienz umstellen. Unser nächstes Ziel: Bis 2030 möchten wir unsere Emissionen um 50 Prozent – im Vergleich zum Basisjahr 2019 - reduzieren.

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Stichwort Recycling: Bereits Mitte der 1990er Jahre hatte Vaude das „Ecolog Recycling Network“ gegründet.

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Das ist ein weiteres Beispiel für den Pioniergeist bei Vaude, der sich durch fünfzig Jahre hindurchzieht. Bereits 1994 hatten wir eine Kollektion aus nur einem Material – Polyester – und ein Netzwerk an Partnern, die unsere gebrauchten Produkte im Handel zurückgenommen und diese dann rückstandslos recycelt haben. Es kam nur nie ins Laufen, weil keine großen Mengen zurückkamen. Der Kreislauf funktioniert nur, wenn viele mitmachen und es zu großen Stoffströmen kommt. Was ganz wichtig und den meisten Menschen nicht klar ist: Es gibt noch kein Textil-zu-Textil-Recycling. Textilien sind immer noch Restmüll, weltweit landet jede Sekunde eine LKW-Ladung Textilien auf einer Deponie oder wird verbrannt. Das Thema muss also unbedingt gelöst werden. Heute stehen die Chancen besser, weil die EU in Richtung Kreislaufwirtschaft Ziele setzen und Rahmenbedingungen fördern wird. Momentan gibt es noch keinen funktionierenden Kreislauf. Wir bereiten uns jedoch jetzt wieder darauf vor, dass unsere Produkte recycelt werden können, wenn die Infrastruktur steht. Wir entwickeln sie also nicht nur langlebig und reparabel, sondern zunehmend aus nur noch einer Material-Unterart: Aktuell haben wir 27 solcher Monomaterialprodukte – unsere Re-Think-Kollektion.

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Wie sieht die längerfristige Strategie von Vaude aus?

Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz Antje von Dewitz

Neben der Entkoppelung von Emissionen und Ressourcen gestalten wir aktiv Kreislaufwirtschaft: Vermietung, Second Hand, Reparatur und Pflege – diese Dienstleistungen sind eine starke Zukunftsvision, die uns antreibt. Es ist glasklar, dass wir nicht wie bisher weiterwirtschaften können. Wir müssen in Produktkreisläufen denken, aber auch die Produktnutzung muss erweitert werden. Denn wir arbeiten an der Zukunft – nicht nur für Vaude, sondern für die nächste Generation.

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Und wie sieht es mit persönlichen Zielen aus?

Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz Antje von Dewitz

Aufs Wandern bezogen, habe ich mir ganz konkret für dieses Jahr den Aosta-Höhenweg 2 vorgenommen. Und für nächstes Jahr den John-Muir-Trail.

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Vaude und Alpenverein – warum passt das so gut zusammen?

Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz Antje von Dewitz

Wir tun sehr viel dafür, dass unsere Produkte so sauber wie möglich hergestellt werden und so lange wie möglich halten. Und möchten natürlich auch beim Einsatz der Produkte Verantwortung übernehmen. Und da ist der DAV der beste Partner, nicht nur als Europas größter Bergsportverband, sondern auch als mitgliedsstärkster Naturschutzverband in Deutschland. Das passt einfach hervorragend zusammen. Was uns eint: Die Kombination aus tiefer Leidenschaft für den „Naturnutz“ und den „Naturschutz“.

Deutscher Nachhaltigkeitspreis

Vaude wurde mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2024 als nachhaltigstes Textilunternehmen und zudem für sein Engagement in der Wertschöpfungskette ausgezeichnet.

Mehr zu den Klimazielen des DAV-Ausrüstungspartners: nachhaltigkeitsbericht.vaude.com

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