Skitouren liegen im Trend. Foto: DAV/Thomas Bucher
Skitouren liegen im Trend. Foto: DAV/Thomas Bucher
Ausrüstung, Lawinenkunde und Tour

Erste Skitour im Gelände

Wer sich nach der Piste das erste Mal ins freie Gelände wagt, muss einiges beachten. Die richtige Ausrüstung und Vorbereitung helfen, um nicht in einer Lawine zu enden.

Wer im Winter die gesicherten Wege und Pisten verlässt, lässt die „Sicherheit“ der Zivilisation hinter sich und betritt die wunderbare Welt der Eigenverantwortung! Wer von der Piste ins offene Gelände vordringt, muss sich über einiges mehr Gedanken machen: Wie groß ist das Lawinenrisiko? Wo geht es überhaupt lang? Wie lege ich die Spur ins Gelände? Und was brauche ich an zusätzlicher Ausrüstung?

Ausrüstung

Auf Skitouren abseits von Pisten ist immer die Notfallausrüstung „an Bord“. Diese besteht aus: VS-Gerät – angeschaltet und im Sendemodus – mit dem dazugehörigen Gurt direkt auf der untersten Kleidungsschicht. Schaufel und Sonde griffbereit im Rucksack. Biwaksack und Erste-Hilfe-Pack sollten zumindest in der Gruppe vorhanden sein. Die Ausrüstung nur mitzutragen hilft nicht viel, der richtige Umgang damit (VS-Suche) will geübt und beherrscht sein, auch wenn man das ganze – hoffentlich – nie braucht!

Lawinenrisiko

Herrscht außerhalb von Pisten immer – mal mehr, mal weniger. Zur Einschätzung muss man den Lawinenlagebericht (LLB) lesen – und verstehen. Der nächste Schritt ist die Tourenplanung mittels LLB und Snowcard. Zu guter Letzt muss man das Ganze noch im Gelände umsetzen. Hier gilt es, potenziell gefährliche Hänge zu identifizieren. Schneebretter sind erst ab einer Hangsteilheit von 30° möglich; diese Steilheit sollte man bei der Planung in der (Qualitäts-)Karte und auf Tour im Gelände erkennen. Für Skitouren-Ansprüche geeignete Karten sind beispielsweise die AV-/BY-Karten, die ÖK oder die Schweizer Landeskarte. Vorsicht: Digitale Karten helfen bei der Einschätzung der Hangsteilheit durch eingefärbte Layer, doch die Verteilung der Steilheit stimmt nicht immer zu 100 Prozent! Wer häufig die Steilheit eines Hangs schätzt und anschließend per Hangneigungsmesser (z.B. Handy App oder Snowcard) kontrolliert, wird schnell ein gutes Gefühl für die relevante Steilheit bekommen. Mit Hangsteilheit und Gefahrenstufe ermöglichen Reduktionsmethoden wie die Snowcard eine ausreichende Einschätzung.

Wem das noch zu kompliziert ist, der kann sich anhand des LLB einfache aber strikte Limits setzen:

Stufe 4 & 5: Keine Aktivitäten abseits geöffneter Pisten!

Stufe 3: Keine Touren mit Hängen über 30° (günstige Touren laut Führerbeschreibung: leicht, Modetour, viel begangen, Lawinengefahr: selten).

Stufe 2: Viel begangene Touren in typischen Modegebieten über 30° (Führer: mittel, Modetour, viel begangen, Lawinengefahr: manchmal) oder wenig begangene Touren unter 30° (Führer: leicht, wenig bekannt, Lawinengefahr: selten).

Stufe 1: auch selten begangene Touren mit einzelnen Passagen über 30° (Führer: mittel, wenig bekannt, Lawinengefahr: manchmal) oder anspruchsvolle, steile, aber viel begangene Touren (Führer: mittel-schwer, viel begangen, Lawinengefahr: häufig).

Wer diese Limits einhält, wird in der Tourenauswahl zwar eingeschränkt sein, aber wahrscheinlich auch nicht in die Bredouille kommen und dennoch Erfahrungen sammeln.

Routenwahl und Spuranlage

Im freien Skitourengelände muss man sich selbst überlegen, wo es langgeht und wie man im Detail die Spur anlegt. Ausgangspunkt und Ziel der gewählten Tour sollte man mit Karten, Führerbeschreibung und digitalen Hilfsmitteln (z.B. alpenvereinaktiv) identifizieren können. Gerne wird man vorhandenen Spuren folgen, dabei sollte man aber immer wieder checken, ob es in die richtige Richtung geht. Die Karte (digital oder analog) öfters zur Hand zu nehmen, ist keine Schande – vorhandenen Spuren blind zu folgen dagegen schon! Schutzzonen für Wild und Wald zu erkennen, respektieren und umgehen, ist Ehrensache.

Ein Kompetenzbeweis ist eine gute Spuranlage. Denn im Gelände muss man nicht, wie auf der Piste, direkt und sklavisch jeden Steil-Flach-Wechsel mitmachen, sondern kann flache Passagen und die ganze Hangbreite nützen, um die Spur angenehm und gleichmäßig sanft geneigt zu halten: im Steilen flacher, im Flachen steiler. Bei ein wenig Neuschnee kann man das gelegentlich ausprobieren. Wer eine gleichmäßige Spur angenehmer Neigung ins Gelände schmeichelt, gibt eine gute Visitenkarte ab und bereitet anderen und sich selbst mehr Freude am Aufstieg. Obendrein spart entspanntes Gehen Kraft und trägt so auch zur Sicherheit bei.

Dazu gehört auch eine clevere Kurventechnik. Eine gute Spur nutzt tendenziell die ganze Hangbreite aus, solange die Neigung gleichmäßig zu halten ist. Für den Wechsel der Anstiegsrichtung peilt man möglichst leichte Verflachungen an, wo man locker um die Kurve gehen kann – entweder stellt man dabei sukzessive die Skienden in die neue Richtung oder (steiler und etwas mühsamer) die Skispitzen. Die Spitzkehre ist ultima ratio und erst ab 30° Hangneigung angesagt. Die Technik dazu muss man üben; in der Spuranlage tritt man ein waagerechtes Podest aus dem Schnee, auf dem man ein gutes Fundament für die Kehre hat.

So geht es clever ins Gelände: Lawinenlagebericht abrufen (und Konsequenzen draus ziehen können…); die richtige Ausrüstung im Einsatz; die Spur empathisch ins Gelände legen, statt bolzengerade rauf – und mit allen Schneearten zurechtkommen. Viel Spaß!

Abfahrt

Auf Skitour darf oder muss man im Gelände abfahren – je nach Schneequalität und fahrerischem Können höchstes Vergnügen oder reinster Horror. Wer abseits der Piste unterwegs sein will, sollte in allen Schneearten zumindest irgendwie wieder runterkommen! Üben lässt sich das beim Freeriden.

Die Gesamtheit der Anforderungen ist reichlich komplex, daher ist es wie immer im Bergsport wichtig, sich in kleinen Schritten zu entwickeln. Während bei Pistenskitouren häufig der sportliche Aspekt (viele Höhenmeter in kurzer Zeit) im Vordergrund steht, sollte man abseits der Piste am Anfang kurze, leichte und überschaubare Skitouren wählen, sich Zeit lassen für Einschätzung, Orientierung und Spuranlage! Also anfangs kleinere Brötchen backen – die werden dafür umso knuspriger! Sinnvollerweise lässt man sich bei diesem Prozess kompetent begleiten: durch einen Kurs bei der DAV-Sektion oder einem kommerziellen Anbieter.

Tipps

  • Notfallausrüstung (VS, Schaufel, Sonde) immer dabei und an. Suche üben!

  • LLB einholen, leichte und viel begangene Touren auswählen.

  • Steilheit (ab wann >30°?) solide schätzen lernen!

  • Im Gelände orientieren lernen → Karte benutzen!

  • Aufstiegsspur flach und gleichmäßig anlegen – nicht einfach grade rauf!

  • Skifahren können in unangenehmem Schnee.

Illustration: Georg Sojer

Zuerst erschienen in DAV panorama 01/20 & 01/22

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