Gelbgrüne Wiesen im Vordergrund des kleinen Sees - im Hintergrund sieht man einen rundlichen Berg.
Idyllisch und unberührt! Wirklich? – Seen und andere Gewässer in den Bergen sind oft weniger sauber als wir denken. Foto: Adobe Stock/Christa Eder
Gewässerschutz in den Bergen

Kristallklar & unberührt?

Ob Bäche, Flüsse oder Seen – Gewässer in den Bergen sind immer wieder ein Hingucker. Doch wie steht es um ihre Sauberkeit? Und was kann jeder einzelne tun, damit das lebensnotwendige Wasser möglichst wenig Schaden nimmt?

Bergseen und -bäche. – Still und tief oder wild und tosend. In jedem Fall kristallklar, unberührt. Vielleicht sogar mit nahezu Trinkwasserqualität.

Gewässer in den Bergen sind wunderschön fürs Auge, an heißen Sommertagen sind sie eine willkommene Erfrischung. Und noch viel mehr: Sie sind wichtige Lebensräume und Kinderstuben für seltene Pflanzen- und Tierarten wie Fische, Frösche, Molche, Libellen, Steinfliegen, Wasserschnecken und kleine Krebse.

Im globalen Wasserhaushalt nehmen die Berge als „Wasserschlösser“ der Welt eine Schlüsselrolle ein. Hier ist der Ursprung eines Großteils unserer Oberflächengewässer. So haben Rhein, Rhone und Po ihren Ursprung in den Alpen. Der Bodensee wird vom Alpenrhein gespeist.

Alles sauber?

Über den zunehmenden Druck auf Berggewässer durch Verbauung (Wasserkraft, Hochwasserschutz, Infrastruktur) und Wasserentnahme (Trinkwasser, Beschneiung) ist bereits viel geschrieben. Doch: Wie steht es eigentlich um die Sauberkeit? Ist das Wasser in den Alpen wirklich so „kristallklar und unberührt“?

Wasserproben geben Aufschluss über den tatsächlichen Zustand von Bächen und Seen. Foto: AdobeStock

Leider nein. Verschiedene Schadstoffe belasten auch in den Bergen die Seen und Bäche, ebenso wie das Grundwasser. Zwar sind die meisten Stoffe in geringeren Mengen vorhanden als im Tiefland, dafür ist die Auswirkung um so problematischer.

Denn: Die Ökosysteme sind an Extreme und Knappheit angepasst. – An Nährstoffknappheit, starke Sonneneinstrahlung, Temperaturextreme, schwankende Wassermengen, teils sehr steile Gefälle und hohe Fließgeschwindigkeiten. So führt ein erhöhter Nährstoffgehalt beispielsweise dazu, dass sich nährstoffliebende Arten wie Brennnessel oder Zuckmücken ausbreiten und die alpinen Spezialisten zurückdrängen. Zahlreiche Schadstoffe, wie Schwermetalle, Polyfluoride, Tenside, Mikroplastik, Bestandteile von Kosmetika, Medikamenten und Bioziden sind, je nach Konzentration, per se für alle Lebewesen tödlich. Doch empfindliche Arten leiden besonders, wie zum Beispiel Molche, die durch die Haut atmen oder die Quellschnecke, die darauf spezialisiert ist, möglichst alles aus dem normalerweise nährstoffarmen Quellwasser zu filtern. Zudem reichern sich diese Stoffe in der Nahrungskette (Larven und Schnecken werden von Fischen gefressen, diese wieder von Vögeln, …); sie können sich sogar in unseren Trinkwasserquellen anreichern. Je „früher“ diese Stoffe in den Wasserkreislauf kommen, also je näher an der Quelle, desto mehr Nahrungskettenglieder durchlaufen sie und desto kritischer die Wirkung auf Organismen und Wasserqualität.

Fressen und gefressen werden. – Schnell reichern sich auch Schadstoffe in der Nahrungskette an. Foto: AdobeStock

Schädliche Einträge ins Wasser

Doch woher kommen diese Stoffe in den Bergen? Dort, wo der Mensch siedelt und wo er den Boden bewirtschaftet, sind Straßen (und damit Reifenabrieb), Abwasser und Einträge aus der Landwirtschaft die Hauptquellen für Verunreinigungen. Doch auch weit oberhalb der Baum- und Besiedlungsgrenze werden schädliche Stoffe in bedenklichen Mengen in Gewässern gefunden:

  • Auswaschung aus und Auflösen von Abfall: Ein einziger Zigarettenstummel verunreinigt bis 60 Liter Wasser. Die sich aus der Kippe lösenden Stoffe wie Nikotin und Teer sind tödlich für Insekten, Fische und Amphibien. Ähnliches gilt für Plastik: Durch physikalischen Abbau, also das Zerbröseln, wird aus einem Müsliriegel-Tütchen Mikro- und Nanoplastik; durch biochemischen Abbau (beispielsweise UV-Licht, Mikroben oder Säure) werden einzelne Bestandteile herauslöst. Aus Gummi werden Weichmacher und Erdölbestandteile, sogenannte Parafine, freigesetzt. Pestizide und Wachse wiederum werden aus den Schalen von Bananen und Zitrusfrüchten ausgespült. – Die Liste ist nahezu endlos.

  • Atmosphärische Deposition: Luftschadstoffe werden einerseits mit dem Regen ausgewaschen, andererseits lagern sie sich als Feinstaub ab. So konnte für den Macunsee im Schweizer Nationalpark, auf 2700 Meter Höhe, nachgewiesen werden, dass erhöhte Blei- und Zinkgehalte durch den Malojawind aus den Industriegebieten der Poebene eingetragen wurden.

    Erfreulich: Maßnahmen zur Begrenzung der CO2-Emissionen, aber auch Katalysatoren und Filteranlagen haben in Europa in den vergangenen Jahren immerhin zu einer Verbesserung der Luftqualität und damit zu geringerer Atmosphärischer Deposition geführt.

  • Kosmetika und Putzmittel: Sonnencremes, Zahnpasta, Desinfektionsmittel, Spüli, Waschmittel, Schampoo, Seife, … Sie alle enthalten Stoffe wie Laugen, Tenside, Titanoxid, Fluorid oder Zinkchlorid. Diese lösen Schmutz sowie Fett und sie wirken antibakteriell. Das heißt, sie töten Bakterien und auch sonst so Einiges. Damit sind sie auch giftig für die meisten Tier- und Pflanzenarten. Noch dazu sind viele dieser Produkte biologisch nicht abbaubar und verbleiben daher lange in der Umwelt.

    Erfreulich: Es gibt immer mehr biologisch abbaubare Produkte, die auch für kleines Geld im Standardsortiment vieler großer Supermarkt- und Drogerieketten erhältlich sind.

Sonnencreme – schützend für unsere Haut, doch gleichzeitig oft giftig für Kleinlebewesen. Foto: AdobeStock
  • Medikamente, Koffein, Nikotin und Rückstände davon werden mit dem Urin ausgeschieden. Sind nicht abbaubar und schon in geringen Mengen giftig für die meisten Tier- und Pflanzenarten.

  • Skiwachs: Um perfekt zu „funktionieren“, enthielten Skiwachse bis vor wenigen Jahren zumeist PFOA (Perfluoroktansäure). Wo Ski gefahren wurde, gelangte die Chemikalie über den Wachsabrieb in die Umwelt und reicherte sich in Böden, Gewässern und auch Organen von Tieren und Menschen an. In der EU wird PFOA als krebserzeugend und fortpflanzungs­gefährdend eingestuft. Seit  2020 ist die Verwendung von PFOA deshalb verboten; die Schweiz folgte mit dem Verbot ein Jahr später. Damit waren die Wachshersteller gezwungen, Alternativen zu finden.

    Viele Produzenten stiegen kurzerhand auf andere organische Fluorver­bindungen um: Statt PFOA (C8) nutzen sie nun kurz- und längerkettige Verbindungen (C4, C10, etc.). Das deutsche Umweltbundesamt warnt allerdings, dass diese genauso langlebig und mobil seien, und gab bereits Studien zur ­Toxizität in Auftrag.

    Erfreulich: Der internationale Skiverband FIS hat ab der Saison 2022/23 ein vollständiges Verbot von Fluorwachsen erlassen. Auslöser für den Entscheid war der Tod einer nor­wegischen Betreuerin, deren ­Gesundheit durch jahrelanges ­Skiwachsen geschädigt gewesen sein soll. Für den Breitensport aber gilt die Selbstverantwortung. Immerhin: Wer fluorfreie Wachse kaufen will, ­findet heute ein breites Angebot.

  • Chalk: Magnesiumkarbonat macht die Hände beim Klettern trockener und griffiger. Vielmehr ist es auch ein basischer Dünger. Das kann zu lokaler Veränderung der Vegetation führen, wie das Brennessel-Beispiel weiter oben. In Seen, Bächen und im Grundwasser kann Chalk schon in geringen Mengen eine Überdüngung und damit verbundenen Sauerstoffmangel bewirken. Mitunter wird der Einsatz von Chalk auch kritisch gesehen, weil er aufgrund der erhöhten Sprengwirkung durch den Wasseraufsaugeffekt die Felsen zerstöre; was allerdings noch nicht abschließend geklärt ist.  

    Erfreulich: Es gibt inzwischen Biochalk, der weniger schädlich sein soll. In besonders schützenswerten Gebieten allerdings ist die Verwendung von jeglichem Chalk verboten. Solche Verbote und Hinweisschilder sensibilisieren die Kletternden.  

  • Mineralölverschmutzung: Sie rührt oft aus Maschinen und technischem Gerät wie Liftanlagen und Schneemobilen oder Motorsägen und auch Mountainbikes. Viele wissen es noch aus der Fahrschule: Ein Tropfen Öl verschmutzt bis zu 600 Liter Trinkwasser.

    Erfreulich: Im Fahrradhandel gibt es inzwischen ausreichend synthetische und biologische Alternativen.

  • PFAS-Imprägnierung: Sogenannte per- und polyfluorierte Alkyl-Verbindungen sind stark wasserabweisend und sehr langlebig. Damit sind sie perfekt für regendichte Kleidung, Schuhe oder auch Zelte. In den PFAS, zu denen nach aktuellen Schätzungen mehr als 10.000 Stoffe gehören, wurden allerdings auch lebertoxische, krebserregende und fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften nachgewiesen. Wegen ihrer extremen Haltbarkeit werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt, denn einmal in der Umwelt, bleiben sie quasi für immer dort.

    Erfreulich: Viele Outdoorketten verwenden inzwischen PFAS-freie Imprägnierungen oder setzen ausschließlich auf Membranen oder von Natur aus wasserabweisende Materialen wie gewachstes Leder. Auch das Spray in der Dose zum Nachimprägnieren gibt es inzwischen in PFAS-freier Ausführung zu kaufen.

Und im Winter? Schnee drüber?

Ganz im Gegenteil: Auch in und auf Schnee und Eis sammeln sich Schadstoffe an. Biologische und chemische Abbauprozesse sind unter Kälte meist stark verlangsamt oder ruhen ganz. Im Frühjahr kommen die Schadstoffe dann mit dem Auftauen in geballter Ladung im Gewässer an. Dort treffen sie noch dazu häufig auf den frisch geschlüpften Nachwuchs beziehungsweise die besonders zarten, jungen Pflänzchen.

So groß wie hier braucht der Plastikmüll in den Bergen gar nicht zu sein, um zu einem ganz grundlegenden Problem beizutragen. Foto: AdobeStock

Problem erkannt, aber …

Man könnte sagen: die Probleme sind zu einem großen Teil bekannt. Sowohl die Politik als auch die Wirtschaft treffen bereits sinnvolle Maßnahmen. Leider noch zu zögerlich und nicht konsequent genug. Insbesondere, wenn es um Einschränkungen für Tourismus und Landwirtschaft geht, fehlt oft der Umsetzungswillen.

Und wir, die wir häufig in den Bergen unterwegs sind ... Wie können du und ich zum Gewässerschutz in den Bergen beitragen?

  • Freue dich über die Schönheit der Berggewässer und mache andere auf ihre Schönheit, Bedeutung und Gefährdung aufmerksam. Was man liebt, das schützt man. – Und das auch ohne Verbote und erhobenen Zeigefinger.

  • Müll gehört nicht in die Berge und schon gar nicht ins Gewässer. Das gilt auch für Kleinstmüll wie Kippen und Kaugummis. Idealerweise nimmst du auch Müll, den andere zurückgelassen haben, wieder mit ins Tal und entsorgst ihn dort ordentlich.

  • Skiwachs und Kettenöl sparsam verwenden, auf ökologische Alternativen setzen und Nachwachsen /-ölen im Gelände möglichst vermeiden.

  • Chalk sparsam verwenden, auf ökologische Alternativen setzen. Auf keinen Fall die Hände oder den leeren Chalkbeutel im Bach waschen.

  • Vor dem Baden im Bergsee oder -bach Sonnencreme abreiben. Beim Baden in Gewässerschutzgebieten ganz auf Sonnencreme verzichten.

  • Bevorzugt Outdoortextilien ohne Beschichtung kaufen und somit zu Membranen wie Goretex, Sympatex oder Texapore greifen. Bei beschichteten Textilien zum Nachimprägnieren PFAS-freie Mittel verwenden. Niemals im Gelände nachimprägnieren!

  • Outdoor-Örtchen: Auf einer langen Bergtour muss man mal Wasser lassen, das ist kaum vermeidbar. Aber bitte nicht in oder direkt neben ein Gewässer. Der Boden wirkt doch noch als Puffer.

  • In den Bergen möglichst auf Kosmetika und Reinigungsmittel verzichten: Wenn nicht anders möglich, verwende „biologisch abbaubare“ Produkte. Um es nicht zu kompliziert zu machen, lässt sich auf alle gängigen Ökolabels und Aufschriften wie „Gewässerschonend“ vertrauen.

  • Last but not least … Wasser sparen auf der Hütte: Berghütten haben oftmals nur eine mechanische, also Filter-, oder eine biologische Abwasserreinigung. Manchmal wird Abwasser auch in einem Tank gesammelt, der regelmäßig abgeholt und im Tal ordnungsgemäß entleert wird. Auch auf der Hütte ist daher grundsätzlich ein schonender Umgang mit dem Wasser geboten.

Ob während des Urlaubs in den Bergen oder im Alltag daheim: Jede*r kann einen Teil beitragen, um die Trinkwasserqualität von Gewässern zu erhalten oder wiederherzustellen. Foto: AdobeStock

Ganz generell gilt: ob es der morgendlichen Kaffee (aus den Bergregenwäldern Afrikas) oder das Baumwoll-T-Shirt (hergestellt in Asien) ist – ein nachhaltiger, umweltbewusster und wassersparender Alltag hilft auch den Gewässern in den Bergen. Lokal, regional und weltweit. – Durch deine Entscheidungen als Verbraucher*in und auch Reisende*r hast du Einfluss auf Wirtschaft und Politik! 

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