Wintersportlerin benutzt Taschentuch
Bei einer unkomplizierten Erkältung ist eine gemäßigte Runde Frischluft heilsam. Kommt Fieber dazu, heißt es zuhause bleiben! Foto: Adobe Stock/ Maridav
Infektionserkrankungen beim Bergsport

Aufsteigen oder daheimbleiben?

In der Pandemie ist der Umgang mit den üblichen Infektionserkrankungen etwas aus dem Blickfeld geraten. Im Folgenden ein kleiner Überblick über die häufigsten Infektionen und ein paar einfache Ratschläge, wie wir mit ihnen vernünftig umgehen sollten.

Infektiöse Erkrankungen müssen am Berg vor allem deshalb beachtet werden, weil wir uns unter Bedingungen bewegen, bei denen sich Infektionen im Körper besonders gut ausbreiten können. Lang andauernde körperliche Anstrengung, Sonne oder große Höhe können die Immunabwehr schwächen. Bei Kälte oder Sauerstoffmangel können sich Erreger besser im Körper ausbreiten, insbesondere die Atemwege leiden unter der kalten trockenen Höhenluft. Banale Infekte, mit denen das Immunsystem zu Hause gut zurechtkommen würde, können sich zu schweren Infektionen (Lungen- oder Nierenbeckenentzündung) auswachsen oder sogar auf andere Organe übergreifen (Herzmuskel- oder Gehirnhautentzündung). Das Risiko, sich auf der Tour selbst zu infizieren, ist zumindest im Alpenraum nicht wesentlich höher als im Alltag, auf Tour erworbene Infektionen spielen nur bei Mehrtagesunternehmungen eine besondere Rolle.

Die meisten Infektionen bestehen schon vor dem Start und werden erst dann zum ernsthaften medizinischen Problem, wenn wir trotzdem am Berg aktiv sind. Deshalb ist die wichtigste Maßnahme gegen eine Infektion, dass wir nicht aufbrechen, wenn wir schon Krankheitssymptome bemerken, und mit einer Infektion lange genug zu Hause bleiben, bis sie wirklich auskuriert ist. Und dass wir frühzeitig umkehren, wenn wir Krankheitssymptome bemerken. Das mag alles ausgesprochen banal klingen, ein Großteil der Infektionen, mit denen man in der Praxis konfrontiert ist, ließe sich aber genau dadurch verhindern. Dass die dafür nötige realistische Selbsteinschätzung und ein konsequentes, defensives Verhalten niemandem leichtfallen, gehört natürlich auch zum persönlichen Erfahrungsschatz des bergsteigenden Arztes: Der lange ersehnte Jahresurlaub, die gebuchte Tour oder das gute Wetter lassen den gesunden Menschenverstand dann gerne in den Hintergrund treten.

Atemwegsinfektionen

Am häufigsten kommt ein durch Viren verursachter grippaler Infekt mit den typischen Symptomen (Fieber, Abgeschlagenheit, Husten, Schnupfen, Kopf-, Glieder- und Halsschmerzen in unterschiedlicher Ausprägung) vor. Neben der Schonung helfen symptomlindernde Medikamente und verschiedenste Hausmittel. Begleitend können eine Bronchitis, eine Mandel- oder Nebenhöhlenentzündung auftreten, die häufig durch Bakterien verursacht werden. Typischerweise erkennt man das am farbigen Auswurf – und dann rückt die ärztliche Abklärung näher. Unumgänglich ist diese bei Anzeichen für eine Lungenentzündung mit deutlichem Fieber, Atemnot und atemsynchronen Brustschmerzen. In der Höhe ist zu beachten, dass alle Atemwegsinfekte das Risiko für die Höhenkrankheit erhöhen.

Infektionen von Haut und Bindegewebe

Ein großes Problem können vor allem auf Mehrtagestouren bakteriell infizierte Blasen und Wunden darstellen – typischerweise mit schmierigem Sekret. Meist reichen eine sorgfältige, engmaschige Wundreinigung, eine lokale antiseptische Behandlung mit jodhaltigen Lösungen und ein stabiler Verband aus. Ein weiterer Dauerbrenner beim Bergsport sind Nagelbettinfektionen, aber auch infizierte Haarfollikel – betroffen sein können Kopf, Bartbereich, Brust und Rumpf. Die lokale antiseptische Therapie allein hilft oft nicht, hier sind eher Schonung und Entlastung angesagt. Wird der gerötete Hof des umgebenden Gewebes größer oder tritt eine Überwärmung im betroffenen Bereich auf, dann hat man es mit einer Weichteilinfektion zu tun, die meist mit Antibiotika und somit ärztlich behandelt gehört.

Ein Sonderfall ist die durch Viren verursachte, wiederkehrende Herpes-Infektion, meist an den Lippen. Mit der frühzeitigen Anwendung von Aciclovir-haltigen Salben lässt sich eine Ausbreitung und bakterielle Superinfektion meist verhindern. Und natürlich müssen wir beim Bergsport immer berücksichtigen, dass die von Zecken übertragenen Borrelien oder FSME-Viren bis in 2000 Meter Höhe vorkommen können. Eine prompte, schonende Entfernung der Zecken und die regelmäßige FSME-Impfung sind eine gute Prophylaxe. Kann sich eine Zecke länger festbeißen, sollte man danach auf das Auftreten einer typischerweise ringförmig wachsenden Rötung achten, die unbedingt antibiotisch behandelt werden muss.

Schnelle Erschöpfung, starkes Schwitzen oder ein hoher Ruhepuls sollten auf Tour nicht ignoriert werden: In diesem Fall besser absteigen! Adobe Stock/megaflopp

Infektionen des Verdauungstraktes und der Harnwege

Magen-Darm-Infekte können sowohl von Viren als auch Bakterien und ihren Toxinen (Giftstoffen) verursacht werden, typische Symptome sind Durchfall, Erbrechen, Übelkeit und bisweilen auch Fieber. Hausmittel und frei verkäufliche Medikamente können die Beschwerden lindern, besonders zu achten ist auf eine ausreichende Trinkmenge zum Ausgleich des erheblichen Flüssigkeits- und Elektrolyt-Verlustes. Wer sich auf der Tour mit Trinkwasser aus Bächen oder Seen versorgt, sollte eine mögliche Kontamination mit krankmachenden Bakterien, Viren und Protozoen (z.B. Amöben) durch Weidetiere bedenken. Mit Hilfe von Abkochen, Keramikfiltern oder Entkeimungs-Tabletten lässt sich das Risiko minimieren. Ein weiterer Klassiker ist die bakterielle Blasenentzündung, die wegen der kürzeren Harnröhre vor allem Frauen trifft, typischerweise mit häufigem, brennendem Wasserlassen verbunden. Anfangs können die klassischen Hausmittel (Tees, Beerenextrakte etc.) helfen, kommen starkes Krankheitsgefühl, Fieber oder Flankenschmerzen hinzu, sind das typische Alarmzeichen für eine Nierenbeckenentzündung, die ärztlich behandelt werden muss.

Eigen- und Fremdschutz bedenken

Die häufigsten Infektionserkrankungen müssen nicht unbedingt medizinisch abgeklärt werden, die Symptome kennen wir meist gut. Und viele haben Erfahrung mit ihren speziellen, immer wiederkehrenden Verdächtigen und dafür erprobte Medikamente zur Verfügung: bei wiederkehrenden Nebenhöhlen-, Blasen-, Haarfollikel- oder Nagelbettentzündungen mit ihren jeweiligen Warnzeichen. Die häufig praktizierte Strategie: „Ist nichts Ernstes, umdrehen kann ich immer noch“ mag zwar oft funktionieren, ist aber trotzdem gefährlich: Im Gebirge ist ein Rückzug mit einem ernsthaft Erkrankten nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für alle anderen Beteiligten riskant – viele vergessen das angesichts der in den Alpen allzu selbstverständlich scheinenden Option, einen Helikopter rufen zu können. Und nicht nur in Zeiten der Pandemie gilt es, an den Schutz der anderen vor einer Infektion zu denken: Wer sich mit einer Atemwegs- oder Magen-Darm-Infektion tapfer auf eine Hütte schleppt, wird mit anderen Gästen definitiv keine Freundschaft schließen. Denn nicht nur Corona- Viren sind ansteckend, auch andere Viren und Bakterien können sich durch Kontakt- oder Tröpfcheninfektion unter Hüttenbedingungen sehr gut ausbreiten.