Da macht es auch nichts, dass der höchste Gipfel des Trios Weissmies-Lagginhorn-Fletschhorn etwas an Höhe eingebüßt hat. Früher wurde der Gipfel mit 4023 m angegeben. Da seine Eiskappe in Folge des globalen Temperaturanstiegs um sechs Meter abgeschmolzen ist, gilt heute die Marke 4017 m.
Der Klimawandel kann in Ausnahmefällen aber auch positive Begleiterscheinungen mit sich bringen. Während sich die wild zerrissene Spaltenzone am Triftgletscher vor etwa fünf Jahren als immer problematischer darstellte, wurden in den letzten zwei Jahren dort vergleichsweise günstige Abstiegsbedingungen gemeldet. Was vor allem daran liegt, dass der Walliser Hauptkamm durch öfter auftretende Südstau-Wetterlagen in den letzten Wintern deutlich mehr Schnee abbekam. Das trifft auch für den März und April 2024 zu. Von daher könnten auch diesen Sommer die Gletscherbedingungen vergleichsweise gut sein. Der Anstieg über den felsigen Südgrat ist von den Gletscherveränderungen wiederum kaum betroffen. Die allermeisten Passagen des Felsblockgrats sind nach wie vor fest, und mit dem richtigen Gespür in Sachen Anstieg können wirklich Geübte hier auch solo unterwegs sein.
Das gilt freilich nicht für den nordseitigen Abstieg über den Gletscher, dessen Spaltenzonen selbstverständlich angeseilt zu durchqueren sind. Richtig „eidgenössisch“ wird es schließlich zum Abschluss des grandiosen Bergtages. Zumindest dann, wenn man im Anschluss noch eine weitere Hüttennacht anhängt. Denn auf der Weissmieshütte wird ganz traditionell mit einem Alphorn zum Abendessen gerufen, bevor man am nächsten Tag Fletsch- und/oder Lagginhorn als weitere Gipfelziele ansteuern kann.
Weissmies – Stück für Stück
1. Saas Almagell – Almagellerhütte T2, 3 ½ Std., 1220 Hm ↗
Von Saas Almagell folgt man zunächst dem bestens beschilderten Zustieg zur Almageller Alm. Dieser führt auf eine Steilstufe mit beeindruckendem Wasserfall zu. Dann legt sich das Gelände zurück und es geht deutlich flacher nach Osten zur Almageller Alm weiter. Dort folgt man dem beschilderten Hüttenzustieg nach links und steigt somit wieder etwas steiler erst in einer ansteigenden Querung, dann über ideal angelegte Serpentinen ins Wysstal, wo man bald auch schon die Almagellerhütte sieht.
Taktiktipp: Dieser Hüttenzustieg geht in der Regel noch gut am Anreisetag.
2. Almagellerhütte – Zwischbergenpass T3, 1 Std., 350 Hm ↗
Von der Hütte geht es zuerst weiter in nordöstlicher Richtung zum Zwischbergenpass hinauf. Der Pfad ist meistens recht gut erkennbar und markiert, aber man braucht in der Dunkelheit eine Stirnlampe. Teilweise helfen dabei auch an Felsen befestigte reflektierende „Katzenaugen“.
Taktiktipp: Nicht nur wegen möglicher Gewitter,sondern auch wegen des Abstiegs über den teils spaltenreichen Triftgletscher möglichst früh starten.
3. Zwischbergenpass – Weissmies WS+, II UIAA, 3 Std., 780 Hm ↗
Am Pass geht es links in eine kleine Senke undetwas rechtshaltend über Blockwerk und Geröll auf ein großes Firnfeld. Hier hält man sich am besten gleich links, um das Feld zum deutlichen SSO Grat hin zu queren. Ab jetzt steigt man immer am (oft breiten) Grat im festem Fels bergan (maximalII UIAA). Nach etwa 600 Kletter-Höhenmetern erreicht man den Vorgipfel, wo man sich spätestens anseilt. Über einen leicht ausgesetzten Firngrat gelangt man noch einmal zu einem Felsaufschwung (I UIAA), hinter dem ein weiterer ausgesetzter Firngrat zum höchsten Punkt führt.
Taktiktipp: Erfahrene können den Felsgrat durchaus seilfrei angehen und so viel Zeit sparen.
4. Weissmies – Weissmieshütte WS, Eis bis 40°, 3 Std., 1300 m ↘
Man steigt über eine steilere Gletscherflanke nach Nordwesten ab, hält sich dann etwas nach links, um einen breiten Absatz (nördlich des Triftgrats) zu erreichen, von wo man einen breiten Gletscherhang ebenfalls steiler nach Norden absteigt. Dann wendet sich die Spur nach Osten und führt durch die Gletscherbrüche des Triftgletschers hindurch (stellenweise Fixseile). Im Anschluss geht es noch einmal steiler durch eine breite Firnrinne zum unteren Teil des Triftgletschers hinab und über diesen zu einer Schotterstraße, über die man die Bergstation Hohsaas erreicht.
Von hier steigt man etwas nach Westen ab und sieht dann eine deutliche Wegspur, die nach Norden in eine breite Mulde führt. Dann wendet sich der Weg nach links und führt über einen Moränenrücken erst flach, dann in Serpentinen absteigend nach Westen, wo man bald die Weissmieshütte unter sich liegen sieht.
Taktiktipp: Man sollte sich vorab auf der Hütte darüber informieren, ob in der Spaltenzone bereits Fixseile installiert sind.
5. Weissmieshütte – Saas-Grund T3, 2 Std., 1180 m ↘
Von der Weissmieshütte geht es zunächst in vielen kleinen Serpentinen an Felsen vorbei nach Südwesten bergab, und dann einen schönen Geländerücken entlang. An dessen Ende hält man sich rechts, überquert bald den Triftbach und wandert dann auf bald breiterem Weg zur Station Kreuzboden hinab. Hier kann man entweder mit der Seilbahn nach Saas-Grund hinunterschweben oder weiter dem Fußweg folgen. Dieser führt zunächst wieder etwas steiler nach Süden bergab, wobei eine Fahrstraße mehrmals gequert wird. Dann wendet sich der Talabstieg nach Westen über freies Gelände zur Triftalp. Hinter dieser geht es zuletzt im Wald über Serpentinen nach Saas- Grund hinab.
Taktiktipp: Bei stabilem Wetter bietet es sich an, auf der Weissmieshütte zu übernachten und am nächsten Tag noch Fletschhorn und/oder Lagginhorn zu besteigen.
Der Mensch zum Berg
Jakob Christian Heusser (geb. 1826 in Hirzel/Kanton Zürich, gest. 1909 in Buenos
Aires) stand Ende August 1855 zusammen mit dem Walliser Notar Peter Joseph Zurbriggen als erster auf dem Gipfel des Weissmies. Sie erreichten den Gipfel über den Südostgrat. Heusser war häufig beruflich im unwegsamen Hochgebirge unterwegs, er war Kristallograph, Mineraloge und Geologe. Seine Untersuchungen im Auftrag Schweizer Kantone führten ihn bis nach Brasilien, ab 1959 lebte er bis zu seinem Tod in Buenos Aires/Argentinien, wo er als Geologe, Vermessungsingenieur und Landbesitzer tätig war.