Ein Haufen technischer Vorarbeit
Um wirklich am Startpunkt dieses Projekts anzufangen, müssen wir fast vier Jahre zurückgehen. So lange wird schon an der Umstellung vom aktuell gebräuchlichen Programm MicroStation auf ArcGIS, ein System basierend auf Datenbankmodellen, gearbeitet. Vorteil dieser Umstellung ist, dass alle Objekte einen Raumbezug haben und somit exakte Geometriedaten (geographische Lage, Form, Orientierung, Größe) besitzen. So können neben klassischen Papierkarten auch Produkte wie Onlinekarten, Web-Anwendungen für Hütten, Wege, Klettergebiete und Wetter entwickelt werden. Auch die graphischen Gestaltungsoptionen von Geo-Informationssystemen wie ArcGIS übersteigen die Möglichkeiten herkömmlicher Programme um ein Vielfaches. Ein Plus für alle Bergsportler – ein Haufen technischer Arbeit für die Kartographinnen und Kartographen der Alpenvereine. Denn alle Arbeitsschritte wollen an die neue Software angepasst werden. Und anschließend gilt es, über sechzig Karten nach und nach in das neue System zu überführen.
Das schöne Zillertal auf dem Prüfstand
Wie viele andere Karten ist auch die Region Zillertal noch handkartiert, das heißt die Erstvermessung wurde noch mittels terrestrischer Photogrammetrie durchgeführt. Resultat: die Karten sind teilweise in sich verzerrt, die einzelnen Elemente oft lageungenau. Auch fehlt der Raumbezug bei diesen in den 1920ern und 30ern erstvermessenen und später unter Zuhilfenahme von Kompass und Höhenmesser aktualisierten Karten. In den 1970er Jahren wurde insbesondere bei Gletscher-Aktualisierungen schon mit Luftbild-Photogrammetrie gearbeitet. Und auch sonst nutzten die Kartographen jegliche Information, die sie in die Finger bekamen – vom Ortsplan bis zum Luftbild. Gerade in den erstvermessenen Karten fehlten dennoch einige Informationen, die heute selbstverständlich sind, wie zum Beispiel der Geobezug einzelner Rasterpunkte. Auch waren die Karten nur dreifarbig, der Rotaufdruck mit Hinweisen zu Wegmarkierungen, Alpenvereinsnummern oder Zusatzbezeichnungen wie “Via Alpina” oder “Adlerweg” wurde erst später eingeführt. Die Infos “hinter” der Kartengrafik, also die Verknüpfung einer schwarzen oder roten Linie mit ihrer Bedeutung “Wanderweg Nummer 611”, ist nur in der digitalen Kartographie möglich. Heute werden derartige Informationen immer wichtiger, da die Kartographie immer digitaler wird und die Ansprüche der Nutzerinnen und Nutzer in dieser Hinsicht steigen.
Glossar der Kartographie
Ein Glossar
Die Welt der Karten
Geheimnisvolle Tiefen der Kartographie – Äquidistanz, GIS, Schummerung? Unser Glossar schafft Abhilfe und erklärt die wichtigsten Fachbegriffe aus der Welt der Kartenlehre.
Am Anfang steht die Datenbeschaffung
Ohne aktuelle Daten keine neue Karte. Die Beschaffung der Daten für die Überarbeitung des Gebiets Zillertaler Alpen (West) erfolgt auf verschiedenen Wegen. Einmal kommt Input wie Orthofoto, digitales Geländemodell, Straßen und Wege, Gewässernetze und weitere Punkte vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Wien. Diese werden größtenteils manuell, teilweise aber auch schon automatisiert ausgewertet. Für die automatisierte Auswertung der Orthofotos, genauer die Erkennung der Vegetation, wie zum Beispiel Wald, Gletscher und Häuser, entwickeln die DAV-Kartographen momentan ein System, das fürs Zillertal teilweise schon angewendet wird. Diese auf Deep Learning basierende Künstliche Intelligenz (KI) soll das Orthofoto in Raster einteilen und die einzelnen Kästchen per Bilderkennung überprüfen und klassifizieren. Weitere Informationen, zum Beispiel Wanderwege und -nummern, Geländenamen und Hütten werden aus der bestehenden Rasterkarte entnommen. Hinzu kommen Meldungen zu Änderungen im Gelände zum Beispiel von Kartennutzern, Hüttenwirtinnen, den Sektionen etc.
Ab ins Gelände
Im Anschluss geht’s raus an die frische Luft: Bei der Geländebegehung kontrollieren die Alpenvereinskartographen diese Daten, insbesondere das Wegenetz, direkt vor Ort. Dafür werden die vorab gesammelten Änderungen in der aktuellen Karte notiert und im Zillertal mittels GPS-Antenne und einer vom ÖAV konfigurierten App überprüft. In dieser gibt der Kartograph direkt an, auf welcher Wegart (Steig, Forststraße etc.) er sich gerade befindet und erfasst nicht kartierte “topographische Gegenstände”, darunter Wegweiser und -schranken, Marterl, Gipfelkreuze, Gebäude, Lifte usw. Diese Daten können bei der Kartenerstellung in ArcGIS sofort verwendet werden, was die Arbeit am Schreibtisch wesentlich einfacher macht.
Auch für Laien wird schnell ersichtlich: Allein die Beschaffung der nötigen Daten für die Aktualisierung einer Karte bringt schon einiges an Arbeit mit sich. Und das ist nur der erste Schritt.
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