Frühe Überlieferung eines Welthits

Stille Nacht, heilige Nacht

Alle Jahre wieder, meistens schon ab dem Spätherbst, laufen im Radio die bekannten Weihnachtslieder in Dauerschleife. Auch wenn der deutschsprachige Kanon der Weihnachtslieder heute den meisten Menschen nicht mehr automatisch durch Familie, Schule oder Kirche vermittelt wird, kennen doch fast alle die Klassiker wie "O du fröhliche", "O Tannenbaum" oder "Leise rieselt der Schnee".

Weltweit das bekannteste aller dieser Weihnachtslieder ist „Stille Nacht, heilige Nacht“. Im deutschen Sprachraum ist es der Inbegriff des feierlichen, getragenen Weihnachtslieds, weltweit in viele Sprachen übersetzt und 2011 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe Österreichs anerkannt.

Seite aus "Vier ächte Tyroler Lieder". Bibliothek des Deutschen Alpenvereins, sig. 55 C 1801. Quelle: Archiv/Bibliothek des DAV

Uraufgeführt wurde das Stück 1818 in einer Dorfkirche in der Nähe von Salzburg. Idee und Text zum Lied stammen vom Pfarrer Joseph Mohr, die Melodie komponierte der Lehrer Franz Gruber.

Die Geschichte der Noten von „Stille Nacht, heilige Nacht“ ist ein wenig unübersichtlich. Es gibt mehrere eigenhändige Niederschriften, sogenannte „Autographen“, sowohl aus der Hand des Textschreibers Mohr als auch des Komponisten Gruber. Nicht alle diese Autographen lassen sich gesichert zuordnen, nicht alle sind überliefert. Auch das Original von 1818 ist verschollen. Frühe Versionen und Abdrucke von Noten und Text finden sich jedoch in verschiedenen Kompilationen und Liederheften der Zeit.

Klassiker von 1830

Die Bibliothek des Deutschen Alpenvereins ist im Besitz eines frühen Drucks des Notenblatts mit Text zu „Stille Nacht, heilige Nacht“ aus den 1830er Jahren. In der Liedersammlung mit dem schönen Titel „Vier ächte Tyroler Lieder für Sopran-Solo oder für vier Stimmen mit willkührlicher Begleitung des Piano-Forte. Gesungen von den Geschwistern Strasser aus dem Zillerthale. Treu diesen trefflichen Natursängern nachgeschrieben“ ist das später so berühmte Weihnachtslied in früher Fassung neben drei weiteren Volksliedern abgedruckt. Die Sammlung erschien bei A. R. Friese in Dresden. Wie die Notenblätter in den Besitz der Bibliothek des DAV gekommen sind, ist ungeklärt. Wahrscheinlich wurden sie als „Beifang“ bei der Übernahme eines Sammler-Nachlasses übernommen, vielleicht sind die Noten aber auch Zeugnis für das volkskundliche Interesse unserer Bibliotheksvorgänger*innen am Alpenraum.

Die im Titel des Notenblatts aufgeführten Geschwister Strasser waren eine Zillertaler Händler- und Sängerfamilie, die wie andere Familien aus den Alpentälern im 19. Jahrhundert auf großen Handelsmessen wie dem Leipziger Markt, Waren anboten; in ihrem Fall vor allem Handschuhe. Daneben aber gaben sie in Leipzig und anderen deutschen Städten Konzerte, auf denen sie neben „Tiroler Nationalliedern“ auch das besagte „Stille Nacht, heilige Nacht“ sangen und spielten. So trugen sie in den 1830er Jahren zur Verbreitung des Weihnachtslieds bei, das in kürzester Zeit so populär im deutschsprachigen Raum wurde, dass es in der Frieseschen und anderen Liedersammlungen gedruckt wurde. Auch viele andere säkulare Weihnachtsbräuche haben ihren Ursprung in der Biedermeierzeit und prägen die westliche Weihnachtskultur bis heute.

Sicherlich spielen alpine Weihnachtslieder und Bräuche in der Bibliothek des Deutschen Alpenvereins heute keine ganz große Rolle mehr. Falls sich jedoch jemand für das Lied interessiert, kann er es im Original in Bibliothek oder digital in der Datenbank einsehen.

 

Andreas Kaiser, Archiv/Bibliothek des DAV