Marterinstrumente

Damenstiefel aus dem Museumsdepot

Schon die Bergstiefel sorgten dafür, dass für Frauen das Bergsteigen in den ersten Jahrzehnten eine besondere Herausforderung war.

Damen-Bergstiefel um 1920. Foto: Alpines Museum

Links: Damenbergstiefel mit leichtem Absatz, Ledersohlen und Benagelung am Absatz, um 1920

Mitte: Damenbergstiefel mit hohem Knöchelschutz, Absätzen und Beschlag mit Rundnägeln sowie Durchzugflügelnägeln, um 1920

Rechts: Damenbergstiefel mit Ösenschnürung, doppelter Ledersohle und Beschlag, um 1920

Sind Absätze bergtauglich?

Betrachtet man die Damenbergstiefel auf dem Foto, überkommt einen als heutige Frau ein leichter Schauder. Unwillkürlich frage ich mich: „Wie wäre ich mit solchen Stiefeln auf einen Berg gekommen und wie wäre es meinen Füßen in diesem Schuhwerk ergangen?“ Ein Blick in das Depot des Alpinen Museums zeigt, dass die Anzahl der von Damen getragenen Bergstiefel nicht sehr groß ist und die ältesten mit dem Entstehungsdatum um 1920 deutlich jünger sind als Bergstiefel für die Herren. Dass sich Frauen schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts an Bergtouren beteiligten und schwierige Aufstiege bewältigten, steht jedoch inzwischen außer Frage.

Wie aber sah es mit der Bekleidung der Frauen, insbesondere ihren Schuhen, aus? Bevor sich die Hose auch für Damen durchsetzte, trugen sie lange weite Röcke und geschnürte, zum Teil weit über die Knöchel reichende Stiefel. Diese unterschieden sich offenbar kaum von den im täglichen Gebrauch befindlichen Stiefeletten. Die Reihen dekorativer Lochverzierung lassen das auf dem Foto linke und mittlere Paar als sogenannte „Budapester oder Karlsbader“ Stiefel erkennen. Die wenige Zentimeter hohen Absätze an den Damenstiefeln verwundern, waren so ausgestattete Stiefel doch sicher den Anforderungen von Fels, Geröll, Eis und Schnee nicht unbedingt gewachsen. Bergtauglich machte man die mit Leder besohlten Stiefel, indem man sie mit Nägeln und, nach ihrer Erfindung, mit Durchzugflügelnägeln (die Montage ging durch die Sohle durch) ausrüstete.

Dass solche Stiefel eine Bergtour zu einem wahren Leidensweg machen konnten, beschreibt die österreichische Bergsteigerin Hermine Groß-Kmoch in ihren Reiseberichten: “Wir schleuderten unsre Marterinstrumente, die Stiefel, weit von uns und stärkten uns sodann mit Suppe u Omelette.“[1] Wurden die Stiefel von einem Schuster eigens angefertigt, konnten sie trotzdem bisweilen schwer und klobig ausfallen, wohl auch wenig angepasst an die Anatomie eines weiblichen Fußes. Erst allmählich wurde die Benagelung durch Gummiprofilsohlen abgelöst und die Ausstattung der Stiefel angepasst an die Anforderungen der geplanten Tour. Heute kann jede Bergsteigerin die für sie, ihre Ansprüche und die Besonderheiten ihrer Füße passenden Bergstiefel finden.

Stephanie Kleidt, freie Ausstellungskuratorin

 

[1] Hermine Groß-Kmoch, Reisebericht 1871/72, S.20 Unveröffentlichtes Manuskript, Archiv des OeAV Innsbruck