„Wandern ist die vollkommenste Art der Fortbewegung, wenn man das wahre Leben entdecken will“, notierte die Schriftstellerin Elizabeth von Arnim Ende des 19. Jahrhunderts, als sie einen Sommer dazu nutzen wollte, die Insel Rügen zu umwandern. „Es ist der Weg in die Freiheit“.
Gegangen ist sie diesen Weg dann nicht, denn niemand wollte mit ihr mitgehen – die eine Freundin fand es einfach zu langweilig, eine andere lächelte nur über diesen seltsamen Plan; und alleine wandern, das konnte sie nicht. „Das grimmige Ungeheuer Konvention“, von dem sie sich als Frau jener Zeit umklammert fühlte, machte ihrem Plan ein Ende. Fast. Denn, sie adaptierte ihr Vorhaben und fuhr mit der Kutsche, „und zwar rund um Rügen herum.“
Ob die Britin ihr Vorhaben unter dem Stichwort „Mein Sommerprojekt“ imaginierte, vorbereitete und letztlich, wenn auch anders als geplant, durchführte? Das Zeug zu einem „Projekt“ hat das Ganze auf jeden Fall. Ein persönliches Projekt, wie man es gerne gerade zu Beginn eines neuen Jahres klarer formuliert, aber auch unterjährig. Ein Projekt, das man abseits des Alltags verfolgt.
Ein Projekt, das uns häufig ganz gezielt auch in die Berge bringt. Denn vielleicht mehr denn je sind die Berge heute für Viele der Inbegriff von Freiheit. Schließlich entfernt man sich dort mit jedem gemachten Schritt auch immer ein gutes Stück von den Konventionen des Tals. Hinzu kommt: Gerade in den Bergen können wir – nachweislich – besonders gut Stress abbauen und Kraft tanken.
Wege durch die Berge
Wer sich erstmals anstecken lässt von der Begeisterung für die Berge, dabei aber eben keine oder kaum Erfahrung hat, wird anfangs eher auf Empfehlungen zurückgreifen – ganz gleich, ob sie von Einheimischen stammen, aus Wanderführern oder ob die Tipps aus der Weite des Internets gefischt sind.
Schier endlose Möglichkeiten breiten sich so vor uns aus auf den Wegen von Hütte zu Hütte, über Bergkämme und Gipfel. Sei es zum Wandern, beim Klettern oder zum Skitourengehen. Und so kann es auch in den Bergen passieren, dass wir beim allzu Bekannten bleiben, beim in der Werbung touristischer Regionen Empfohlenen und bei Superlativen.
Eigene Ideen und Projekte
Dabei hat es gerade einen ganz besonderen Reiz, eigene Projektideen zu entwickeln. Sich selbst Gedanken zu machen über das Wohin in den Bergen und darüber, wie man diese Idee umsetzt. Gut möglich, dass es fürs Erste nur um diese eine Etappe bei der Weitwanderung geht, bei der man vom empfohlenen Weg abweicht, weil man ganz gut auch damit leben kann, diesen einen, ganz besonders exponierten Weg nicht zu gehen. Oder andersherum: gerade, weil man die eigenen Fähigkeiten als gut genug einschätzt, fasst man eine anspruchsvollere Wegalternative ins Auge. Mitunter zwingen auch äußere Umstände dazu, den Weg zu ändern. Vielleicht, weil selbiger durch eine Mure in Mitleidenschaft gezogen und unpassierbar wurde. Oder man muss den Weg fürs Erste ganz aufgeben, weil der eigene Körper zickt, die Gesundheit angeschlagen ist.
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Eine eigene Projektidee zu entwickeln und auf diese Art ganz eigene Wege einzuschlagen, ist auch aus einem anderen Grund extrem bereichernd: sich mit dem eigenen Vorhaben auseinanderzusetzen geht über das reine Wegsuchen und -finden weit hinaus. Vielmehr erfährt man im besten Fall die umgebende Natur viel intensiver. Ob Wetterphänomene oder Gesteinsarten, Pflanzenwelt oder Kulturgeschichte – man hat die Chance, auf eine ganz eigene Art und mit einem ganz eigenen Fokus unterwegs zu sein.
Neugier und Mut
Was es braucht, sich auf den eigenen Weg zu machen: Neugier und den Mut, in sich zu gehen. Denn den eigenen Weg zu gehen, ist immer auch eng mit dem In-sich-Gehen verbunden. Damit, sich bewusst zu machen, was genau man eigentlich will. Damit, verschiedene Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen, fast alle zu verwerfen und sich für nur eine zu entscheiden. Damit, in kleinen Schritten zu denken und zu handeln, dabei aber das große Ziel nie aus den Augen zu verlieren.
Auf einem solchen ganz eigenen Weg lassen sich ein Stück weit die eigenen Grenzen verschieben, man kann daran ganz und gar über das bisher Gewohnte hinauswachsen: weil man entdeckt, dass die eigenen Fähigkeiten viel mehr als nur durchschnittlich sind und man sein Können zukünftig auch im Wettkampf unter Beweis stellen möchte.
Andererseits lässt sich in den Bergen eben auch besonders gut ganz bewusst ein anderer Weg gehen. Die Schottin Nan Shepherd beispielsweise durchquerte zeitlebens die Cairngorm Mountains, in ihren dazu verfassten Erinnerungen, „Der lebende Berg“, notierte sie, nach dem Gipfel zu streben, sei nicht der einzige Weg, einen Berg zu besteigen. Vielmehr erkundete sie diese Region des Schottischen Hochlands und reflektierte das Gefühlte und Gesehene, das Gerochene und Gehörte.
So lässt sich voll und ganz der Freude an eigenen Entdeckungen hingeben. Was zählt, sind persönliche Erfahrungen. Oftmals sind es dabei die kleinen Augenblicke, die einen berühren und die die individuelle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Begegnungen mit anderen Menschen und vor allem mit dem eigenen Ich. Und mitunter bemerkt man, dass man gar nicht in die (weit entfernten) Berge fahren braucht für derlei Erfahrungen, sondern stattdessen einfach vor der eigenen Haustür losziehen kann für diesen ganz eigenen Weg.
Der DAV und Bergader – aktive Partnerschaft seit 2020
Aufbrechen und eigene Wege gehen ist Teil der Kampagne „Spüre dich selbst“, die der DAV gemeinsam mit seinem Partner Bergader ins Leben gerufen hat, um für einen achtsamen und gesundheitsorientierten Lebensstil zu sensibilisieren.