Knotenknäuel aus Seilen und Reepschnüren
Gruppen bestehen aus unterschiedlichen Individuen – wie die verschieden bunten, langen und dicken Reepschnüre dieses Knotenknäuels. Foto: DAV Archiv/Schenkung der JDAV Freiburg
Einblicke in die Dauerausstellung im Alpinen Museum

Gemeinschaft

Natürlich können wir auch allein in den Bergen wandern und bergsteigen. Beim Klettern oder auf Hochtour wird das schon schwieriger. Außerdem ist manches Erlebnis gerade in der Gruppe besonders intensiv.

Nach den Kapiteln „Abenteuer“, „Körperempfinden“, „Leistung“ und „Natur“ steht am Ende der Dauerausstellung im Alpinen Museum der Gemeinschaftsaspekt des Bergsteigens im Zentrum der Darstellung. Gemeinschaft können wir bei einer Tour erleben – mit der Partnerin, dem Seilgefährten, im Freundeskreis, mit der (Jugend-)Gruppe der Sektion … Gemeinschaft kann auch bedeuten, sich für gemeinsame Interessen einzusetzen – der DAV ist eine solche große Gemeinschaft. Aber Gemeinschaften können auch ausgrenzen: Menschen, die „anders“ sind, bestimmte Leistungen nicht erbringen können, andere Vorstellungen haben – oder auch aus reinem Fanatismus.

Zusammenhalt durch Vielfalt

Ein Schraubkarabiner steht in der Ausstellung als Symbol für Zusammenhalt und gleichzeitig für Offenheit. Schenkung Kathrin Holstein. Foto: DAV Archiv

Anhand persönlicher Exponate in der Ausstellung versinnbildlichen Jugendliche verschiedener Alpenvereinssektionen, was für sie die Gemeinschaft in der Jugendgruppe ausmacht. „Für mich bedeutet Gemeinschaft am Berg, sich gegenseitig Sicherheit zu geben. Sei es mit einem Karabiner, aber auch im übertragenen Sinn. Im geschlossenen Zustand hat der Karabiner die höchste Bruchlast. Genau wie eine Gemeinschaft muss er aber auch immer wieder geöffnet werden.“ Mit diesem schönen Bild und ihrem „Lieblingskarabiner“ bringt das zum Beispiel eine Jugendliche aus Rosenheim zum Ausdruck.

Die Jugendgruppe „Die bunten Exen“ der Sektion Freiburg im Breisgau hat sich einen Knoten aus vielen bunten Reepschnüren als Symbol ausgedacht. „Wir haben die Jugendgruppe als Gemeinsamkeit, bleiben aber unterschiedlich – wie die Seile im Knoten unterschiedlich bleiben.“

Verbindendes und Trennendes

Das Kapitel „Gemeinschaft“ der neuen Dauerausstellung setzt viel auf die Symbolik von Gegenständen. So steht zum Beispiel ein Stück Holzkohle aus dem Lagerfeuer einer Ausfahrt für den Raum von Austausch und Gemeinschaft, den die Mitglieder der Jugend des Gay Outdoor Clubs (GOC) in ihrer Gruppe erleben. Eine von allen Teilnehmer*innen eines „Queerfeldein“-Wochenendes unterschriebene Regenbogenfahne unterstreicht den Selbstanspruch der DAV-Jugend, ein „bunter Haufen“ zu sein. Ein erschütterndes Beispiel für hasserfüllte, fanatische Ausgrenzung ist das Hüttenbuch der Hanslberghütte der Sektion Regensburg: Mitte der 1930er Jahre wurden mehrere Einträge des Teenagers Richard Hönigsberger von anderen mit „Jude!“ überschrieben.

Gerade angesichts seiner dunklen Vergangenheit sind dem Alpenverein heute Vielfalt, Offenheit und Toleranz wichtige Werte. Dafür gibt es seit einigen Jahren eine wachsende Zahl von zum Beispiel Integrations- und Inklusionsprojekten und -gruppen. Ein Berliner Jugendleiter, selbst mit Bewegungseinschränkung, hat im Rahmen eines Workshops der Jugend des Deutschen Alpenvereins (JDAV) ein Video produziert, das in der Ausstellung zu sehen sein wird. Darin hinterfragt er, wie divers die JDAV tatsächlich ist.

Solidargemeinschaft Alpenverein

Ein sinnfälliges Exponat für den Kerngedanken des Alpenvereins als Solidargemeinschaft vieler einzelner Sektionen ist der Hüttenschlüssel. Zunächst baute jede Sektion ihre eigene(n) Hütte(n). Aber schon 1874 wurde die Einführung eines gemeinsamen Hüttenschlüssels beschlossen. Mit diesem Schlüssel konnte jedes Vereinsmitglied jede Hütte nutzen, was bis heute für Selbstversorgerhütten und Winterräume gilt. Ebenso haben alle Mitglieder gleiche Rechte auf allen Hütten – auch die der anderen nationalen Alpenvereine!

Leider war der Deutsche Alpenverein in der Vergangenheit aber auch ein trauriges Beispiel für die eingangs erwähnte, von Gemeinschaften nicht selten praktizierte Ausgrenzung. Eines der eklatantesten Beispiele ist der Ausschluss der Sektion Donauland: Der Alpenverein positionierte sich früh antisemitisch. Jüdische Mitglieder wurden von vielen Sektionen ausgegrenzt. 1924 (!) verabschiedete die Gesamtheit der Sektionen mit großer Mehrheit den Ausschluss der vorwiegend jüdischen Sektion Donauland. Diese Sektion war ein Zusammenschluss von Mitgliedern, die zuvor bereits aus anderen Sektionen ausgeschlossen oder verdrängt worden waren.

Sein Kinderrucksack erinnerte den aus Nazi-Deutschland emigrierten Juden Peter Siegel bis ins hohe Alter an die Heimat. Aus dem Nachlass von H. Peter Sinclair. Foto: DAV Archiv/Wolfgang Pulfer

Als mahnendes und uns nachdenklich machendes Beispiel erzählt die Ausstellung die Geschichte des jungen Münchner Juden Peter Siegel, von dem ein Kinderfoto mit seinem Vater Dr. Michael Siegel in „Bergkluft“ erhalten ist. Der Rechtsanwalt hatte 1924 gegen den Arierparagrafen der Sektion München protestiert und war mit 83 anderen jüdischen Mitgliedern ausgetreten. Peter Siegel, später Sinclair, konnte 1939 als 18-Jähriger nach England emigrieren und so der Verfolgung durch das NS-Regime entgehen. Seinen ebenfalls ausgestellten Kinderrucksack aus dem Münchner Sporthaus Schuster bewahrte er bis an sein Lebensende auf.

Die gemeinsame Begeisterung für die Berge und das Bergsteigen und die damit verbundene Verantwortung: Das zeigt und daran appelliert die neue Dauerausstellung.

Ein neues Zuhause für die Berge

Das Alpine Museum des DAV auf der Münchner Praterinsel eröffnet als modernes, offenes, barrierefreies Haus mit Ausstellungen, Bibliothek, Archiv, Gastronomie und Veranstaltungsräumen im Frühjahr 2024 neu. Aktuelle Infos gibt’s im Bautagebuch auf alpenverein.de/36098.

Zur Wiedereröffnung im März 2024 startet auch die neu konzipierte Dauerausstellung, die inklusiv und mit vielen multimedialen sowie Erlebnis- und Mitmachstationen zeigen will, aus welchen unterschiedlichen Gründen Menschen in die Berge gehen. Damit will sie gleichzeitig für einen respektvollen Umgang untereinander und mit der Natur werben.

Die Schwerpunkte der Ausstellung wurden in Panorama vorgestellt: