Das Klettern erfreut sich seit Jahren großer Beliebtheit: im Durchschnitt gehen die Kletter*innen im DAV pro Jahr fast 30 Mal in die Halle – also insgesamt einen Monat lang fast jeden Tag. Für viele von ihnen sind die rund 220 DAV-Kletterhallen in Deutschland der zentrale Berührungspunkt mit dem Klettersport, gerade wenn natürliche Felsen nicht in Reichweite sind. Da ist die Anreise zur Halle zwar kürzer, ganz ohne Ressourcenverbrauch kommt ein Kletterhallenbesuch aber nicht aus: die hohen Hallen müssen geheizt und gelüftet werden und Neubauten tragen zusätzlich zur Bodenversiegelung bei. Dass Hallenklettern und Klimaschutz sich trotzdem nicht ausschließen, das zeigt das Kletterzentrum Bremen – mit einem ambitionierten Nachhaltigkeitskonzept und kreativen Low-Budget-Lösungen.
Vom Hallenkind zum Klimaschutzpionier
Auch Jonas Loss ist ein Hallenkind: das Klettern in der Halle hat ihn als Jugendlicher zum Alpenverein gebracht. Er hat dort seine sportliche Heimat weit ab vom Gebirge gefunden als Betriebsleiter des Kletterzentrums Bremen. Als studierter Forstwirt hat Jonas aber auch ein besonderes Auge für Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Ihm war es deshalb ein besonderes Anliegen seine Leidenschaft fürs Klettern mit seinen Ambitionen in Sachen Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Dafür hat er in jedem Winkel des Kletterzentrums nach Verbesserungspotential gefahndet und Ende 2020 dann die erste Version eines umfangreichen Nachhaltigkeitskonzepts veröffentlicht. Jetzt, im März 2022, hat er das Konzept aktualisiert und ein paar neue Maßnahmen ausgelotet, wie das Kletterzentrum Bremen seinem Kurs treu bleiben kann: mit simplen Methoden viel zu bewirken.
Das Kletterzentrum Bremen hat sich mit seinem Nachhaltigkeitskonzept an eine globale Bewegung angeschlossen, die die Vereinten Nationen mit der Verabschiedung ihrer Sustainable Development Goals 2016 ins Rollen gebracht hat. Diese 17 Nachhaltigkeitsziele sollen nicht nur mehr Klima- und Umweltschutz anstoßen, sondern dabei auch soziale und wirtschaftliche Entwicklung fördern. Was alles sehr abstrakt und schwierig klingt, hat Jonas in seinem Nachhaltigkeitskonzept für das Kletterzentrum Bremen auf konkrete Maßnahmen und Handlungsziele herunter gebrochen.
Tu Du’s auf soliden Füßen
Das Gebäude des Kletterzentrums selbst war schon von Anfang an nachhaltig geplant: geheizt wird mit Fernwärme und einen Teil des Stromverbrauchs deckt die eigene Photovoltaikanlage, der Rest wird als Ökostrom bezogen. Das Gebäude selbst kann gut auf Durchzug gelüftet werden. Die Lüftungsanlage muss deshalb nur im Winter laufen, was enorm viel Energie einspart. Weil also die Infrastruktur selbst schon auf das Energie Sparen ausgerichtet ist, hat Jonas sich als nächstes die Prozesse im Betrieb des Kletterzentrums vorgenommen.
Um da gezielt an der richtigen Stelle ansetzen zu können, hat das Kletterzentrum bei einer lokalen Initiative ein Energiegutachten in Auftrag gegeben, das auch komplett die Kosten dafür übernommen hat. Durch dieses Energiegutachten war schon zu Beginn des Projekts klar, wo das Kletterzentrum steht und Jonas konnte gezielt Maßnahmen ausarbeiten, die sich auf die übrigen Problemfelder konzentrieren. Dabei wurde auch schnell klar: so viel Spielraum zum Einsparen von Energie ist da gar nicht mehr. Die einzigen Schrauben, an denen Loss noch drehen konnte, waren zum Beispiel die Bewegungsmelder für die Beleuchtung, die sehr fein eingestellt nur dann wirklich Strom verbrauchen, wenn sie auch tatsächlich gebraucht werden. Auch durch den Warmwasseranschluss für die Spülmaschine konnte noch Energie beim Aufheizen gespart werde. Auf den ersten Blick scheinen diese Maßnahmen zwar recht klein, aber auch das sprichwörtliche Kleinvieh macht eben Mist.
Die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Kletterhalle spielt da natürlich in einer anderen Liga. Mit ihrer Leistung von maximal knapp 20 kW, produziert die Kletterhalle damit einen großen Teil des Stroms, den sie verbrauchen, selbst. Gesponsert wurde die Anlage von den Stadtwerken Bremen. Auch hier konnten die recht hohen Kosten für eine sehr effektive Maßnahme also über eine Kooperation ausgelagert werden. Jonas sieht besonders in einem guten Netzwerk großes Potential, auch kostenintensive Klimaschutzmaßnahmen zu realisieren.
Kein Geld für Klimaschutz? Kein Argument!
Klimaschutz muss also nicht zwangsläufig teuer für die Sektion sein. Sponsoren, Netzwerke oder die Einbindung von Ehrenamtlichen und Freiwilligen haben in der Klimaschutzstrategie des Kletterzentrums Bremen zurecht einen festen Platz. Seit 2019 gehört zum Team zum Beispiel auch ein*e FÖJler*in dazu, also ein*e Freiwillige*r im ökologischen Jahr. Zu den FÖJ-Jobs gehört es, sowohl laufende Klimaschutzanstrengungen zu überwachen und zu unterstützen, als auch neue Projekte zu initiieren und umzusetzen:
Alpinum: Der Lehrgarten für bedrohte Alpenpflanzen soll die Besucher*innen für die empfindliche Balance des alpinen Ökosystems sensibilisieren, ohne direkt selbst in die Alpen zu reisen.
Hochbeete: Die Hochbeete mit Paprika, Karotten, Radieschen und Kräutern sollen dazu motivieren, sich mit der eigenen Ernährung zu beschäftigen.
Insektenhotel: Schon 2017 wurde das Insektenhotel auf dem Gelände eingerichtet. 2019 hat die FÖJler*in das Insektenhotel renoviert und eine Infotafel angebracht.
Wildblumenwiese: Auf 600m2 werden auf dem Gelände des Kletterzentrums Wildblumen angesät, um Bienen Lebensraum und Nahrung zu bieten. Die Fläche gehört inzwischen auch zum Projekt „Campus goes Biodiverse“ der Uni Bremen und hat die Nachbarbetriebe inspiriert, ebenfalls Wildblumenwiesen anzulegen.
Benjeshecke: Letztes Jahr hat die FÖJStelle eine Benjeshecke aus Totholz zusammengetragen, die einer Vielzahl an Tieren als Unterschlupf und Lebensraum dient.
Baummonitoring: 78 heimische Obstbäume und Sträucher stehen auf dem Gelände des Kletterzentrums. Die FÖJler*innen überwachen den Wuchs und die Gesundheit des Baumbestands und sind auch an der Baumpflege beteiligt.
Umweltbildung ist Zukunftsbildung
Selbst investiert hat das Kletterzentrum also vor allem Zeit und Hirnschmalz – die Finanzierung der Projekte wurde häufig von Kooperationspartnern übernommen. Klimaschutz muss also nicht zwangsläufig viel Geld kosten. Wie viel Emissionen durch die Maßnahmen tatsächlich eingespart werden konnten, konnte noch nicht ausgewertet werden. Trotzdem sieht Jonas Loss in den Maßnahmen des Kletterzentrums Bremen auf jeden Fall einen Erfolg: die Imkerei- und Obstbaumschnittkurse werden dieses Jahr aufgrund der hohen Nachfragen wieder angeboten. Gerade in diesen Bildungsangeboten sieht Loss noch großes Potential: „Wenn man nicht mehr an sich arbeiten kann, müssen wir an anderen arbeiten. Wir haben als Alpenverein Zugriff auf 5000 Leute, die wir motivieren können mitzumachen und wo wir ein Beispiel sind, wo wir sagen können, du kannst auch was tun.“