31. Oktober 2023 - Mit gemischten Gefühlen blicken die Expert*innen des Deutschen Alpenvereins auf diesen Bergsommer in den Alpen: Zum einen berichten die Hüttenwirtsleute von einer guten Saison mit verständnisvollen Gästen, zum anderen zeigt die Entwicklung, dass die Alpen immer stärker von extremen Wetterlagen betroffen sind – von Trockenheit und Hitze, aber auch von Unwettern und Starkregenereignissen.
Die vergangene Bergsaison hat erneut eindrücklich gezeigt, wie der Klimawandel die Alpenregion verändert. Mit dem recht warmen und schneearmen Winter 2022/23 waren die alpinen Gletscher nur sehr kurz vor den Hitzewellen des Sommers 2023 geschützt: der Taschachferner war bereits Anfang Juli unterhalb von 3000 Meter schneefrei.
Der Sommer war dann von Extremen geprägt: Intensive Hitzeperioden wechselten sich mit starken Niederschlägen ab. Die Neue Prager Hütte musste wegen Wassermangel schon Mitte August schließen - das zweite Jahr in Folge. Ihr Zustieg wurde kurz darauf von massiven Regenfällen unpassierbar gemacht: Zwei Brücken wurden weggespült. Gabriela Scheierl betreut seit vielen Jahren die Wegebau- und instandsetzungsmaßnahmen der Sektionen und beobachtet eine Verstärkung dieser Extremwetterschäden:
Weggespülte Brücken werden zum Teil hunderte Meter weit weg vom Standort wiedergefunden und Muren reißen metertiefe Gräben durch das alpine Wegenetz. Ähnliche Bilder sah man in ganz Tirol: Zahllose Murgänge versperrten und beschädigten Zustiege und machten Wege unpassierbar. So zum Beispiel auch beim Taschachhaus oder im Floitental, wo die Greizer Hütte liegt. Der Klimawandel zeichnet auch Wanderkarten in erstaunlicher Geschwindigkeit neu. Im Hochgebirge haben sich außerdem die hohen Temperaturen aus den vergangenen Jahren überdeutlich bemerkbar gemacht. Am 11. Juni 2023 ist der Südgipfel des Fluchthorns (3397 m) in der Silvretta bei Galtür abgebrochen und hundertausende Kubikmeter Fels sind ins Tal gedonnert. Der Hauptgrund: tauender Permafrost. Seine Funktion als „Kleber“ für Schutt und Fels kann er mit den steigenden Temperaturen nicht mehr erfüllen und sogar auf einer Höhe von über 3000 Metern wie am Fluchthorn kann der Permafrost instabil werden. „Im gesamten Alpenraum steigt die Permafrostgrenze an. Solche Ereignisse wie am Fluchthorn werden zwar glücklicherweise auch in Zukunft nicht an der Tagesordnung stehen. Schutthänge werden trotzdem instabiler und schwieriger zu begehen und die Steinschlaggefahr steigt,“ sagt Dr. Tobias Hipp, Geograph und Gletscherexperte beim DAV.
Hüttensaison: Trotz Extremwetter sehr gutes Ergebnis
Die Wirtsleute der über 300 Alpenvereinshütten verbringen den ganzen Sommer über in den Bergen – und das oft schon seit vielen Jahren. Sie sind deshalb ein guter Gradmesser für Veränderungen in den Alpen, sowohl bei den Gästen als auch bei den Bedingungen. "In diesem Jahr berichten viele Wirtsleute von besonderen Unwetterereignissen, aber auch von einer sehr guten Saison mit teilweise doppelt so vielen Übernachtungen wie im letzten Jahr", so Miriam Roth, Hüttenreferentin beim Deutschen Alpenverein. "Das Wetter war diese Saison unberechenbar. Extreme Hitze, Hagel, Schneefall und Starkregen, wir hatten alles", berichtet Martina Rimml-Dobler von der Kaunergrathütte. Auch die hohen Lebensmittelpreise, die sie teilweise auf die Gäste umlegen musste, bereiteten ihr Sorgen. Und Andreas Ruech vom Karwendelhaus hofft, "dass sich diese Situation in Zukunft rasch wieder entspannt." Besonders eindrücklich ist ihm in diesem Jahr ein Sturm in Erinnerung geblieben:
Daneben gab es aber auch schöne Momente, wie Kerstin Heimberg vom Heinrich-Schwaiger-Haus erzählt: „Wir hatten einen 84-Jährigen, der vor seinem 85. Geburtstag noch einmal das Wiesbachhorn besteigen wollte – und es schaffte." Und auch die gestiegenen Preise hätten die Gäste Großteils mit Verständnis aufgenommen, wie auch zum Beispiel Stefanie Höllrigl, die Wirtin der Bremer Hütte, berichtet.
„Wir freuen uns sehr, dass die Saison für unsere Hüttenwirtsleute so gut gelaufen ist – und die meisten Hütten trotz der vielen Unwetter keine Schäden davon getragen haben. Dennoch blicken wir auch mit etwas Sorge in die Zukunft: Steigende Energie- und Lebensmittelpreise setzen den Wirtsleuten zu und Extremwetterereignisse wie lange Trockenperioden, erschweren den Hüttenbetrieb", so Miriam Roth.
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