Bergwelt in Bedrängnis: Internationale Allianz fordert Respekt für die Alpen

- Die Alpen sind das am stärksten erschlossene Hochgebirge der Welt. Der Druck auf die alpinen Freiräume ist nach wie vor massiv: Allein in Tirol sind derzeit drei Großprojekte in Planung. Ein einzigartiger Schulterschluss der Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol gemeinsam mit zahlreichen weiteren Naturschutzorganisationen und Bürgerbewegungen fordert deshalb vor Ort im Kaunertal mehr Respekt für den alpinen Raum. Ausnahmeregelungen, wie sie im Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm und im Tiroler Gletscherschutzprogramm zu finden sind, müssen aufgehoben werden.

Mit Blick auf die von Erschließungen bedrohte Weißseespitze fordern Umweltorganisationen mehr Respekt für den alpinen Raum. DAV/Tobias Hipp

„Selten zuvor standen die Alpen so stark unter Druck, wie es aktuell der Fall ist“, erklärt Wolfgang Schnabl, Präsident des Österreichischen Alpenvereins im Rahmen einer Pressekonferenz inmitten der Kaunertaler Bergwelt, einem „Hotspot“, wenn von naturzerstörerischen Ausbauplänen die Rede ist. „Erschließungen und Verbauungen gefährden die letzten unberührten Ökosysteme in unserer Bergwelt – politische Entscheidungsträger müssen hier dringend umdenken. Wir fordern mehr Respekt für die Alpen!“. Hinter dieser Forderung stehen die Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol und weitere Umweltorganisationen wie u.a. Global 2000, der WWF Österreich, der Umweltdachverband, die Naturfreunde Österreich sowie lokale Bürgerbewegungen (alle Organisationen aus Österreich, Deutschland und Südtirol inkl. Statements siehe unten).

Gefährdete Naturschätze: Zerstörung von Mooren und Gletschern droht

Die TIWAG plant im Rahmen des Kraftwerksausbaus Kaunertal, das Platzertal zu fluten und somit das größte unberührte Moor- und Feuchtgebiet der österreichischen Hochalpen zu zerstören. Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem und sind Lebensräume für spezialisierte Arten. „Klima- und Artenschutz müssen Hand in Hand gehen. Das Projekt ist auf einem Auge blind und muss gestoppt werden“, so Schnabl.
Unweit des Platzertals sollen die Weißseespitze und Teile des Gepatschferners erschlossen werden. Absurde Ausnahmeregelungen im Gletscherschutzprogramm erlauben solche Pläne. „Großflächige Skigebietserweiterungen, wie sie im Kaunertal aber auch im Pitztal geplant sind, sind für uns eine klare rote Linie. Wir setzen uns für die Aufhebung der Ausnahmeregelungen und die Wiederherstellung des absoluten Gletscherschutzes, wie er im Tiroler Naturschutzgesetz verankert ist, ein“, erklärt Schnabl.

Klima- und Artenschutz müssen Hand in Hand gehen. Das Projekt ist auf einem Auge blind und muss gestoppt werden!
- Wolfgang Schnabl, Präsident ÖAV
Wertvolle Moorflächen im Platzertal. Foto: DAV/Franz Güntner

„Niemand will durch Industrielandschaft laufen“

"Ein Gletscher ist nicht nur Eis und ein Gletschervorfeld ist nicht nur Schutt", erklärt DAV-Vizepräsident Wolfgang Arnoldt und betont: „Das sind wertvolle Natur- und Lebensräume. Da können wir kein Auge zudrücken, die dürfen einfach nicht erschlossen werden.“ Mit den beiden Gletschererschließungen der Pitztaler und Kaunertaler Skigebiete würden weitere alpine Naturräume zerstört und entseelt werden. Dabei sind beide Regionen von besonderer Bedeutung für den Bergsport: Der Gepatschferner gehört zur größten zusammenhängenden Gletscherfläche Österreichs und ist mit den Stützpunkten Brandenburger Haus und Rauhekopfhütte ein beliebtes (Ski-)Hochtourengebiet. Die Braunschweigerhütte im Pitztal liegt direkt am beliebten europäischen Fernwanderweg E5 und ist für den Alpenverein ein wichtiger Ausbildungsstützpunkt. „Das Bergsteigen in all seinen Facetten, die Hütten, unsere Ausbildungen, unser Einsatz für das alpine Wegenetz - all das bietet die besten Bedingungen für nachhaltigen und sanften Tourismus. Die Dauerbaustellen, die uns diese Erschließungen bringen würden, machen das zunichte. Niemand will durch eine Industrielandschaft laufen“, mahnt Arnoldt.

Ein Gletscher ist nicht nur Eis und ein Gletschervorfeld ist nicht nur Schutt
- Wolfgang Arnoldt, Vizepräsident DAV

Manifest für mehr Respekt für den alpinen Raum

Bereits 2022 haben die Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol sowie der Club Alpino Italiano gemeinsam mit dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol und dem Heimatpflegeverband Südtirol das „Manifest für mehr Respekt für den alpinen Raum“ unterzeichnet. Mit diesem Manifest wird die Notwendigkeit eines ernstgemeinten Schutzes des alpinen Raums bekräftigt. „Die Erschließung des alpinen Raumes ist abgeschlossen“, heißt es im Manifest. „Mit dem ‚Manifest für mehr Respekt für den alpinen Raum‘ sehen wir es als unsere Pflicht, gemeinsam mit den Alpenvereinen und unterschiedlichen Umweltorganisationen den immer wiederkehrenden Forderungen gewisser Wirtschaftskreise zur weiteren Erschließung unserer Alpen Einhalt zu gebieten. Es ist genug erschlossen, und unsere Kinder haben auch das Recht eine noch etwas intakte Natur vorzufinden“, betont Georg Simeoni, Präsident des Alpenverein Südtirol.

Auch in Südtirol sehen sich Umweltorganisationen mit immer neuen Erschließungsvorhaben konfrontiert. Simeoni betont mit Blick auf den Zusammenschluss zwischen dem Kaunertal und dem Südtiroler Langtauferertal, dass der Alpenverein Südtirol darauf zähle, dass die Südtiroler Landesregierung an ihrer ablehnenden Haltung festhält und dem Vorhaben endgültig einen Riegel vorschiebt. „Die Erschließung neuer Räume im Hochgebirge ist für uns ein Tabu. Zugleich sagen wir aber ja zu neuen umweltverträglichen Perspektiven für das Langtauferertal”, sagt Simeoni.

Die Erschließung neuer Räume im Hochgebirge ist für uns ein Tabu.
- Georg Simeoni, Präsident AVS

Internationaler Schulterschluss

Alpenvereine, Umweltorganisationen und Bürgerbewegungen stehen hinter den Forderungen für mehr Respekt für den alpinen Raum:

Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol, Global 2000, WWF Österreich, Naturfreunde Österreich, Umweltdachverband, Protect our Winters Austria, Bürgerinitiative Feldring, Verein zum Schutz der Bergwelt, WET – Wildwasser erhalten Tirol, PAN – Protect Alpine Nature, Mountain Wilderness Deutschland, Aktionsgemeinschaft Malfon, Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol, Heimatpflegeverband Südtirol.

Statements der beteiligten Organisationen

Global 2000: Viktoria Auer, Klima- und Energiesprecherin

WWF Österreich: Bettina Urbanek, Gewässerschutzexpertin

Umweltdachverband: Franz Maier, Präsident

Club Arc Alpin (CAA): Dr. Nicole Slupetzky, Präsidentin

Naturfreunde Österreich: Dr. Birgit Sattler, Vorsitzende Stellvertreterin Naturfreunde Tirol

WET – Wildwasser erhalten Tirol: Marieke Vogt

PAN – Protect Alpine Nature: Philipp Tschaikner, Netzwerkkoordinator

Protect Our Winters Austria (POW): Verena Stahl, Präsidentin

Mountain Wilderness Deutschland: Michael Pröttel, Vorsitzender

Aktionsgemeinschaft Malfon: Silvia Matt

Verein zum Schutz der Bergwelt: Dr. Sabine Rösler, 1. Vorsitzende

Heimatpflegeverband Südtirol

Dachverband für Natur- und Umweltschutz Südtirol