- Gegen Pläne für die Erschließung der Gletscherwildnis der Ötztaler Alpen laufen WWF Österreich, ÖAV, DAV und Naturfreunde Österreich Sturm und beantragen die Ausweitung des bestehenden Ruhegebiets.
Lift-Neubau an Ötztaler Gletscherberg? „Der Erschließungswahnsinn muss ein Ende haben!”
Skilifte an der bislang komplett unerschlossenen Weißseespitze (3518 m)? Das Herz der Gletscherwildnis in den Ötztaler Alpen soll verbaut werden. Dagegen laufen WWF Österreich, ÖAV, DAV und Naturfreunde Österreich Sturm und beantragen die Ausweitung des bestehenden Ruhegebiets „Ötztaler Alpen”. “Der Erschließungswahnsinn muss ein Ende haben”, sagt DAV-Präsident Roland Stierle. “Noch bieten die Alpen wunderbare Naturlandschaften. Wir kämpfen dafür, dass das so bleibt.”
„Der Schutz der Gletscher muss jetzt Priorität haben“, begründet DAV-Präsident Roland Stierle den Antrag der Natur- und Alpinverbände, „ein ‚Weiter so‘ ist nicht mehr möglich, das hat uns dieses Jahr doch sehr eindrücklich gezeigt!“. Die Pläne der Skigebietsbetreiber sehen eine Erweiterung des Gletscherskigebiets mit einer Gondel bis kurz unterhalb der 3518 Meter hohen Weißseespitze sowie Pistenflächen auf dem Gepatschferner vor.
„Die Ausweisung als Ruhegebiet würde einen verbindlichen Schutz und die langfristige Erhaltung dieses unerschlossenen Naturraums und der unter Druck stehenden Ökosysteme bedeuten. Die Unterschutzstellung wäre für uns hier der richtige Schritt in Richtung konsequenter Gletscherschutz“, betont Stierle in Übereinstimmung mit den Positionen der anderen Verbände. Zusammen mit dem Kesselwandferner bildet der Gepatschferner die größte zusammenhängende Gletscherfläche Österreichs. Aufgrund der großen unbeeinflussten und zusammenhängenden Fläche ohne Zerschneidungen ist es eine der wenigen Flächen in den Alpen, die dem Charakter einer Wildnis am nächsten kommen: „Diese großen zusammenhängenden Ökosysteme sind für die teils bedrohten Tier- und Pflanzenarten insbesondere in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise von großer Bedeutung – und werden in Zukunft noch bedeutender sein“, so WWF-Programmleiterin Hanna Simons.
Dauerbaustelle statt Naturerlebnis
Die neu eingereichten Pläne zur skitechnischen Erschließung des oberen Gepatschferners nähmen einem international bedeutsamen Tourengebiet die Attraktivität. „Mit dem Brandenburger Haus und der Rauhekopfhütte unterhält der DAV in dem Gebiet seit Ende des 19. Jahrhunderts wichtige alpine Stützpunkte. Diese Pläne würden wortwörtlich Zukunftsperspektiven für einen naturnahen Tourismus verbauen“, ärgert sich DAV-Präsident Stierle.
Für die Naturschutzverbände ist eine Neuerschließung von Gletscherflächen in der heutigen Zeit nicht vertretbar. ÖAV-Präsident Andreas Ermacora: „Die Gletscherzungen in Österreich ziehen sich im Schnitt jedes Jahr um 20 bis 30 Meter zurück. Selbst in den allerhöchsten Lagen der Alpen – also dort, wo normalerweise die Gletscher Nachschub in Form von Schnee bekommen und wachsen sollten – nimmt die Dicke der Gletscher ab und die Gletscherflächen sacken ab“. Im Zeitraum von 1999 bis 2019 hat der Gepatschferner über die gesamte Fläche gemittelt 17 Meter an Eismächtigkeit verloren, das entspricht etwa 80 Zentimetern pro Jahr. „Durch die ständigen Landschaftsveränderungen wäre es mit dem Liftbau alleine also nicht getan. Jeden Sommer wären Eingriffe und technische Maßnahmen auf dem Gletscher und in den Randbereichen nötig, um überhaupt eine Pistenpräparierung und Skibetrieb im Winter zu ermöglichen. Dann heißt es Dauerbaustelle statt Naturerlebnis“.
Fragwürdige Ausnahmeflächen im Hochgebirge – das sogenannte Gletscherschutzprogramm
Seit 1981 sind rund 395 Quadratkilometer der Ötztaler Alpen durch das hochwertige Schutzgebiet „Ruhegebiet Ötztaler Alpen“ grundsätzlich vor technischen Erschließungen geschützt. Ein solches Ruhegebiet hat neben dem Schutz der Natur auch die Erholung in der freien Natur zum Ziel (Land Tirol): infrastrukturelle Erschließungen wie Seilbahnen oder Straßen sind dort grundsätzlich nicht zulässig. Zusätzlich stellt das Tiroler Naturschutzgesetz grundsätzlich alle Gletscherflächen unter Schutz und verbietet technische Erschließungen. Die Ausnahme: 2005 lockerte die Tiroler Landesregierung den allgemeinen Gletscherschutz und weist im sog. „Gletscherschutzprogramm“ Ausnahmeflächen aus, um die Erweiterung von Gletscherskigebieten zu ermöglichen. Die Umwelt- und Alpinverbände fordern mit der Erweiterung des Ruhegebiets auch eine Aufhebung dieser Ausnahmeregelung. „Leider wurde der Schwesterantrag für den Bereich um den Linken Fernerkogel, bereits im Frühjahr abgelehnt. Und dies obwohl die gezielte Unterschutzstellung dieser Flächen derzeit immer noch die einzige Möglichkeit für einen konsequenten Gletscherschutz ist. Eine langfristige Lösung des Problems müsste sonst eine entsprechende Neufassung des Tiroler Seilbahn und Skigebietsprogramms sein“ sagt Leopold Füreder, der Tiroler Vorsitzende der Naturfreunde Österreich.
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Petition der Bürgerinitiative Feldring für den Schutz der Gletscher
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