Achtung Alltag!

Tipps für den Weg durch die Stadt

Raus aus dem Alltag, Mikroabenteuer vor der Haustür, etc. - die Sprüche sind uns vertraut.

Sohmscher Zeltmantel. Foto: Alpines Museum/Adriano Coppola

Noch ehe diese Slogans allgegenwärtig wurden, vertrieb das Sporthaus Schuster ab den 1920er Jahren einen Sack aus Mosetig-Batist, den nach Victor Sohm benannten Sohmschen Zeltmantel. Das Material war ein wasserdichter Verbundstoff aus feinem Baumwollgewebe mit einer Zellwollbeimischung, beidseitig überzogen mit vulkanisiertem Kautschuk. Der Sack selbst konnte als Mantel oder Zelt genutzt werden und war ein Meilenstein zum Überstehen von Notsituationen in den Bergen. Zugleich war er ein Upgrade zu seinem Vorgänger, dem Zdarskysack (nach seinem Erfinder Mathias Zdarsky), beides Vorläufer der heutigen Biwaksäcke und über Jahrzehnte hin Standard.

Heute ist das Bedürfnis nach Ausbrüchen und abenteuerlichen Erlebnissen omnipräsent. Doch schon seit über 150 Jahren finden Menschen im Gebirge einen Gegenpol zu einer monoton empfundenen Arbeitswelt, zu einem vermeintlich sicheren, durchstrukturierten Alltag. Und seit über 150 Jahren werden die Berge auch als genau das beworben.

Ausrüstung fürs "Außeralltägliche"

Das Gebirge ist eine Landschaft, die in den meisten Fällen allein aufgrund ihrer Topografie etwas Außeralltägliches ist: ein Ort, der rasch gefährlich werden kann, sei es durch Wetterumschwünge, Wegbeschaffenheit oder – wie im Zuge der Klimakrise immer häufiger festzustellen – Abbrüche von Felsen oder Gletschern. Ein Ort, der in den Höhenlagen wenig bebaut und erschlossen ist, der Raum lässt und dafür sorgen kann, dass man auf sich allein gestellt ist. Ein Ort eben, an dem ein Rest Unsicherheit bleibt. Für all dieses „Außeralltägliche“ rüsten sich die Menschen seit jeher aus, wie die Sammlung des Alpinen Museums zeigt. Und das mal mehr, mal weniger gut, nach der neuesten Mode, einfallsreich oder auch nach heutigen Maßstäben überraschend.

Seit „Outdoor“ zum Lifestyle geworden ist, ist Outdoorausrüstung, vornehmlich in Form von Bekleidung, im Alltag angekommen. Darüber hinaus sind es viele gewohnt, Gegenstände zum Bergsport zu sehen und sie entsprechend einzuordnen. Die Außeralltäglichkeit dieser Gegenstände lässt sich erst wieder über den direkten Kontrast herstellen, was am Beispiel des hier gezeigten Zeltmantels sehr gut verdeutlicht werden kann, wenn wir ihn in den Alltag integrieren:

Stellen wir uns vor, ein Regenguss oder – eine Eskalationsstufe höher – ein kurzes Gewitter überrascht uns in der Fußgänger*innenzone und wir können beobachten, wie jemand diesen Sack aus Batist (heute Polyester oder Polyamid) aus dem Rucksack hervorholt und sich darin verkriecht, bis das Unwetter vorbei ist. Eine eher irritierende Vorstellung und selbst in der „Bergsteigerstadt“ München (vorerst) nicht zu erwarten.

 

Max Wagner, Alpines Museum des DAV